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Governance – Spannungsfeld EU- und nationale Politiken

Mit ihrem Vorschlag für eine Governance-Verordnung im Winterpaket will die EU-Kommission ein Prozedere schaffen, das die Erreichung der Klima- und Energieziele gewährleistet.
Es ist ein Dilemma: Bei der Festlegung der Ziele für 2030 gab es mit den Mitgliedstaaten nur eine Einigung zu übergeordneten EU-Zielen, nicht aber auf verbindliche nationale Beiträge dazu wie noch bei den 2020er-Zielen. Zugleich müssen die Ziele erreicht werden, sollen die Verpflichtungen aus dem Paris-Abkommen erfüllt werden. Und die Eingriffsmöglichkeiten der EU in die Energiepolitik der Mitgliedstaaten sind beschränkt, da die Kompetenz dafür auf der nationalen Ebene liegt.

Um angesichts der Unterschiedlichkeit der einzelnen Länder doch einen geordneten und halbwegs ambitionierten Prozess zu erreichen, greift die EU-Kommission mit ihren Governance-Vorschlägen für die Energieunion zu einem sogenannten „weichen“ Mittel der Steuerung, das aber nach Einschätzung von Experten durchaus Druck erzeugen kann. „Die Verordnung ermöglicht erstmals Elemente mit einer tieferen Eingriffsdichte in die nationalen Hoheitsrechte im Bereich der Energiepolitik bis hin zu Eingriffen in den Energiemix der Mitgliedstaaten“, konstatiert der Wissenschaftler Marc Ringel von der Universität Geislingen.

Pläne und umfassende Berichtspflichten

Dies geschieht dadurch, dass mit der Verordnung ein engmaschiges Netz an regelmäßigen Planungs- und Berichtspflichten gegenüber der EU-Kommission festgelegt würde, die eine Überwachung und Bewertung des Ambitionsniveaus der nationalen Bemühungen beinhalten. Vorgesehen ist ein kontinuierlicher Dialog mit der Kommission, die dazu praktisch verpflichtende „Empfehlungen“ abgeben kann, sollte sie die Pläne und Fortschritte als zu gering einschätzen. Die Mitgliedsstaaten müssten laut dem Vorschlag zum einen eine strategische Langfristplanung in Form von „Low Emissions Strategies (Niedrigemissionsstrategien) entwickeln, die vom Jahr 2020 bis zum Jahr 2070 reicht.

Damit ist vor allem das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 85 bis 90 % zu senken, avisiert. „Neben den Klimaschutzerfordernissen dienen die Pläne gleichsam als wirtschaftspolitische Strategie für ‚grünes Wachstum‘ in der EU, indem ökonomische Transformationsprozesse, Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden“, verdeutlicht Ringel. Jeweils alle zehn Jahre, ab 2024, sollen diese Pläne aktualisiert werden, die EU-Kommission kommentiert sie, gegebenenfalls werden Änderungen eingearbeitet.

Empfehlungen mit Pflichtcharakter

Zum anderen sollen die Mitgliedsländer „integrierte Nationale Energie- und Klimapläne“ vorlegen, mit jeweils einem 10-Jahreshorizont, beginnend mit dem 1. Januar 2019. Ab 2021 sollen dazu jährliche Berichte vorgelegt werden, alle zwei Jahre „Fortschrittsberichte“, Die Kommission erhalte hierdurch die Möglichkeit, sowohl den Prozess der Planerstellung als auch dessen Inhalte zu kommentieren, mit Blick darauf, ob die nationalen Strategien, Ziele und Maßnahmen anspruchsvoll genug sind, um das Erreichen der EU-Ziele zu unterstützen, erläutert Ringel. Gibt sie Empfehlungen, so muss das Mitgliedsland jeweils ein Jahr danach Bericht darüber erstatten, wie diese umgesetzt wurden, oder gegebenenfalls rechtfertigen, warum dies nicht erfolgt ist. Speziell im Bereich erneuerbare Energien und Effizienz stelle die der Vorschlag „eine vergleichsweise eingriffsintensive Koordinierung dar und bewegt sich damit auf einem schmalen Grad“, resümiert Ringel.

Mehr Transparenz und Koordinierung der nationalen Pläne

Bei einer Diskussion über die vorgeschlagene Governance-Verordnung im Rahmen eines „Trialogs“ der „Governance-Platform“ der Universität Humboldt-Viadrana beurteilten EU-Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft mehrheitlich die Verpflichtung zu Plänen und das Monitoring als Chance für mehr Transparenz. Es könne dadurch mehr Überblick und Klarheit über die nationalen Beiträge gewonnen, Inkonsistenzen könnten aufgedeckt und eine bessere Integration der verschiedenen Politiken erreicht werden. Auch die Interaktion zwischen den EU-Staaten und der Kommission wird als sinnvoll erachtet.

Einigen geht das mit der Governance-Verordnung beabsichtigte Prozedere jedoch zu weit, bedeutet es doch ein enges Korsett und enormen Aufwand für die Mitgliedstaaten. Insbesondere die Verpflichtung, die „Empfehlungen“ der Kommission umzusetzen, scheint kaum realisierbar – „dafür werden sie niemals eine Mehrheit im Rat bekommen“, meint ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, das aber den Vorschlag grundsätzlich begrüßt.

Angelika Nikionok-Ehrlich

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