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Wasserstoff als Wegbereiter

Regenerativ erzeugter Wasserstoff könnte die Chance eröffnen, nicht nur im Strom-, sondern auch im Wärmesektor und im Verkehr wirtschaftlich die Klimaschutzziele zu erreichen. Experten sehen den Energieträger als wichtige Ergänzung der Energiewende.
„Ein strategischer Ausbau der erneuerbaren Energien muss alle Energiesektoren umfassen“, fordert Werner Diwald. „Wir sollten deshalb rasch mit der Markteinführung von Wasserstoff beginnen.“

Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Wasserstoff und Brennstoffzellenverbandes (DWV) ist der Ansicht, dass es der Energiewende helfen würde, mit Hilfe von Wasserstoff die Erneuerbaren auch in die Wärmeversorgung und in die Mobilität zu bringen. Das Energiesystem würde durch die sektorenübergreifende Integration flexibler, meint Diwald. „Die Bundesregierung sollte die Aktivierung des Wasserstoffmarktes zu einem ihrer Schwerpunkte der Energiewende machen.“
 

Werner Diwald sieht Wasserstoff als Instrument für die Integration von erneuerbaren Energien
Bild: DWV

Wasserstoff spielt in Überlegungen, regenerativen Strom speicherbar und damit zeitlich flexibler nutzbar zu machen, eine wichtige Rolle. In Power-to-Gas-Anlagen mit Wind- oder Solarstrom erzeugt, im Erdgasnetz transportiert und in unterirdischen Salzkavernen gespeichert, könnte der Energieträger bei Bedarf in Brennstoffzellenautos als Kraftstoff, in Blockheizkraftwerken als Brennstoff und in Raffinerien oder Chemiewerken als Rohstoff verwendet werden.

Doch auf welchem Weg lässt sich der bisher noch recht teure Wasserstoff am effizientesten in das System bringen? Diwald ist der Ansicht, dass man damit im Verkehrsbereich beginnen sollte. Für den Anfang könnte der erneuerbare Energieträger in Raffinerien, wo sehr viel Wasserstoff zur Kraftstoffherstellung gebraucht wird, eingesetzt werden. Er würde fossil erzeugten Wasserstoff ersetzen und so zum Klimaschutz beitragen.

Später dann, so der Vorschlag des DWV-Chefs, könnte erneuerbarer Wasserstoff direkt an die geplanten Wasserstofftankstellen geliefert werden. Etwa 300 Unternehmen aus der Autoindustrie, der Energieversorgung der chemischen Industrie und des Maschinenbaus, die sich in Konsortien wie Clean Energy Partnership und H2-Mobility zusammengeschlossen haben, wollen in den nächsten zehn Jahren 2 Mrd. Euro in ein solches Tankstellennetz investieren.

Industrie will Wasserstofftankstellen einrichten

Noch 2015 sollen die ersten 50 Wasserstofftankstellen an deutschen Straßen bereitstehen. Das Netz soll in den nächsten Jahren kontinuierlich erweitert werden. Die Planungen sehen vor, dass 2030 an 1 000 Tankstellen auch Wasserstoff angeboten wird.

Deutsche und internationale Autobauer wollen zudem verstärkt Brennstoffzellenautos, die Wasserstoff als Kraftstoff brauchen, auf den Markt bringen. Die Hersteller haben angekündigt, im laufenden Jahr bereits 5 000 Brennstoffzellenfahrzeuge verkaufen zu wollen, bis 2020 sollen es 150 000 pro Jahr sein, bis 2030 etwa 1,8 Millionen.
Nach Diwalds Ansicht brauchen die Autobauer künftig unbedingt Brennstoffzellenmodelle, weil sie sonst die CO2-Vorgaben der EU nicht schaffen. Die EU-Kommission schreibt vor, dass jeder Hersteller bis 2021 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der von ihm angebotenen Fahrzeugflotte auf 95 Gramm pro Kilometer reduzieren muss. Eine Verschärfung auf 65 g/km bis 2030 wird diskutiert.

„Deutsche Automobilhersteller werden das nicht allein mit effizienteren konventionellen Fahrzeugen oder mit Batterie‐ und Hybridmodellen schaffen. Ohne Brennstoffzellenautos können die Ziele nicht erreicht werden“, so Diwald. Deshalb ist er überzeugt davon, dass erneuerbarer Wasserstoff im Verkehr gebraucht wird.

Als wirtschaftlichen Hebel, um den noch recht teuren Energieträger in die Mobilität zu bringen, empfiehlt er die Anerkennung als Biokraftstoff im Rahmen der so genannten Biokraftstoffquote der EU. Diese sieht vor, dass bis 2020 ein Anteil von zehn Prozent des Kraftstoffs erneuerbar produziert wird.

Energiewende und Klimaschutz voranbringen

Eine − möglichst mehrfache − Anerkennung von Wasserstoff als Beitrag zur Erfüllung der Quote würde nach Diwalds Auffassung wie ein Markteinführungsprogramm für den erneuerbaren Energieträger wirken. Von einem so gesicherten Absatzmarkt sei es dann leichter, weitere Verwendungsmöglichkeiten zu erschließen.
Die Weiterentwicklung der für Erzeugung (Elektrolyse), Speicherung, Transport und Verwendung (Brennstoffzellen) erforderlichen Technologien schaffte zudem Möglichkeiten für nachhaltige Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland, unterstreicht der DWV-Chef.

An die Bundesregierung appelliert Diwald, für die nächsten zehn Jahre 1,8 Mrd. Euro für die Verlängerung des 2016 auslaufenden Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff und Brennstoffzelle zur Weiterentwicklung und Markteinführung von Wasserstofftechnologien zur Verfügung zu stellen. Seinen Vorschlag, mit Wasserstoff mehrere Energiesektoren für erneuerbare Energie zu erschließen, sieht er als Teil „eines wichtigen Transformations- und Integrationsprozesses, an dem es der Energiewende im Moment fehlt“.

Peter Focht

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