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Verbände kritisieren Agora-Gutachten scharf

Die Bundesverbände Braunkohle und Energie- und Wasserwirtschaft widersprechen dem Rechtsgutachten von Agora Energiewende zu einem Kohleausstieg vehement.
Das am 23. Oktober veröffentlichte Rechtsgutachten der Denkfabrik Agora Energiewende zum Kohleausstieg wird von verschiedenen Verbänden kritisiert. Der Bundesverband Braunkohle (Debriv) erklärt, es sei „unzulänglich, oberflächlich und rein ideologisch motiviert“. Das vorliegende Dokument habe „viele juristische Schwachstellen“. Zudem werden soziale und wirtschaftliche Auswirkungen „völlig außer Acht gelassen“, erklärt der Verband. Auch BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer bezeichnet das Agora-Gutachten in einer Stellungnahme als „offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt“.

In dem Rechtsgutachten der Kanzlei Becker Büttner Held, das von Agora Energiewende in Auftrag gegeben wurde, wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende 2016 zum Kernenergieausstieg analysiert und zur Grundlage eines möglichen Kohleausstiegs genommen. Auf dem Gutachten basierend hatte Agora erklärt, dass Kohlekraftwerksbetreibern bei einem möglichen Kohleausstieg vom Staat keine Abfindung gezahlt werden müsse. Das gelte für Anlagen, die 25 Jahre oder älter sind, da diese in der Regel abgeschrieben seien.

Dem widerspricht der Debriv. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Rechtssatz, nach dem eine Investition, auch wenn sie sich amortisiert habe, ihren Eigentumsschutz verliere. Dieser bestehe auch darüber hinaus. „Fakt ist, dass die Braunkohlenkraftwerke in Deutschland auf der Grundlage unbefristeter rechtskonformer Genehmigungen arbeiten, die dem Stand der Technik entsprechen. Für den Entzug der Betriebsgenehmigungen besteht keine rechtliche Grundlage“, so der Verband. Auch die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) äußerte sich entsprechend.

Einzelprüfungen notwendig

BDEW-Chef Kapferer merkt an, dass sich eine pauschal festgelegte durchschnittliche Amortisationszeit, wie sie beim Atomausstieg herangezogen wurde, bei einem Kohleausstieg verbieten würde. Wie auch der Debriv betont, müsse bei einem beschlossenen nationalen Kohleausstieg vielmehr für jeden einzelnen Kraftwerksblock geprüft werden, ob ein gesetzlich vorgegebenes Betriebsende im Vergleich zu anderen Anlagen zu rechtfertigen sei.

„Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Atomausstieg aus dem Jahr 2016 folgendes deutlich gemacht hat: Auch solche Investitionen sind schützenswert, die im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage zur Ertüchtigung der Anlagen getätigt wurden“, so Kapferer. In den letzten Jahren seien bei vielen Anlagen Investitionen in die Effizienzsteigerung und Flexibilisierung getätigt worden.

Wie Kapferer erklärt, dürfte auch der in dem Gutachten genannte einjährige Übergangszeitraum von der Ausstiegsentscheidung bis zur Stilllegungsverpflichtung nicht ausreichend und rechtskonform sein, da die Betreiber selbst auch Pflichten im Arbeitsrecht oder Kohlelieferungsrecht haben. Tagebaue stehen zudem durch Artikel 14 Grundgesetz unter dem gleichen Schutz wie Kohlekraftwerke, so der Debriv. Auch die Erfüllung von Stromlieferungsverträgen oder die Sicherung der Abgabeverpflichtungen für CO2-Zertifikate stünden bei einem Ausstieg laut Kapferer im Raum.

Andere Faktoren nicht bedacht

Darüber hinaus würden die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen eines Kohleausstiegs in dem Kurzgutachten nicht thematisiert, so der Verband. Grundsätzlich sei es problematisch, dass Agora Energiewende leichtfertig über grundgesetzlich geschützte Positionen hinweggehe. „Es ist bedauerlich, dass mit einer juristisch derart angreifbaren Arbeit der Versuch unternommen wird, die politische Meinungsbildung zu beeinflussen“, erklärt der Debriv.

Außerdem würden einseitige Maßnahmen wie ein politisch forcierter Kohleausstieg nicht zum Klimaschutz beitragen, da auch die deutsche Braunkohle dem europäischen Emissionshandel unterliege. Kapferer betont: „Klimaschutz, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit müssen gleichberechtigt behandelt werden. Wann welche Kraftwerke vom Netz gehen können, lässt sich nicht am Schreibtisch von Anwaltskanzleien definieren.“

Jonas Rosenberger

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