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Top-Standort ohne politischen Rückhalt

Eine Studie aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium fährt der Chefin des Hauses in die Parade. Während Ilse Aigner Pumpspeichern in Bayern keine Zukunft gibt, bescheinigen die Verfasser der Untersuchung dem Bundesland ein großes Potenzial.
Es schien so, als habe eine Aussage von Wirtschaftsministerin Aigner im Münchner Merkur Anfang September alle Pläne für Pumpspeicher in Bayern beerdigt. „Kein Geschäftsmodell“, so ihr pauschales Urteil. Und im Vorgriff auf die Veröffentlichung einer Studie aus ihrem Haus über die Pumpspeicherpotenziale in Bayern wird sie mit den Worten zitiert: „Die Potenzialanalyse wird gerade um den wirtschaftlichen Aspekt ergänzt. Das Ergebnis ist eindeutig: Es gibt unter diesen Marktbedingungen keine wirtschaftliche Basis.“

Was letztlich von Lahmeyer Hydroprojekt verfasst und vom Wirtschaftsministerium veröffentlicht wurde, signalisiert jedoch etwas anderes: Für Pumpspeicherkraftwerke gibt es ein riesiges Potenzial und insgesamt 16 Standorte, die besonders gut geeignet sind. Die Autoren der Studie beziffern deren Gesamtleistung auf 11 000 MW mit einer Gesamtenergiemenge von 66 000 MWh.
Zu den Top-Standorten gehört auch der Jochberg, nahe der 17 000-Einwohner-Stadt Wolfratshausen. Hier plant die Energieallianz Bayern, ein kommunaler Zusammenschluss mit 37 Gesellschaftern, ein 700-MW-Pumpspeicherkraftwerk. Die Herstellkosten seien „sehr günstig“, die geologischen Verhältnisse „geeignet“, so die Bewertung der Autoren. Allerdings stufen sie die umweltfachlichen Auswirkungen als hoch ein. Eine frühere Prüfung, die die Projektgesellschaft in Auftrag gegeben hat, widerspricht dieser Einschätzung allerdings.

Doch im Oktober 2013 legte die Gesellschafterversammlung die weiteren Planungen auf Eis, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass weder die Bundes- noch die Landespolitik dem Projekt Rückhalt verleihen würden. Für Joachim Martini, den Geschäftsführer der Energieallianz, hat sich mit der Studie die Situation noch nicht grundlegend geändert. „Die Politik hat keinen klaren Standpunkt“, so seine Kritik. „Einerseits gibt sie uns mit der Studie recht, dass wir Pumpspeicher benötigen und der Jochberg ein geeigneter Standort ist, andererseits erklärt Herr Seehofer, es werde keine neuen Pumpspeicher in Bayern geben und Frau Aigner sagt, der Jochberg sei ein Ausflugsziel.“ Dies sei keine Basis, um das Projekt wieder in Angriff zu nehmen. „Ich erwarte von der Politik, die die Energiewende ausdrücklich will, dass sie auch ihre Führungsrolle wahrnimmt“, so Martini gegenüber E&M powernews. Sie müsse den Menschen klarmachen, dass ein Wandel des Energieversorgungssystems nicht ohne spürbare Veränderungen möglich sei, wobei die Auswirkungen für den Einzelnen so gering wie möglich zu halten seien.

Verwundert zeigte er sich darüber, dass sich die Politik Gedanken über die Wirtschaftlichkeit mache. Sie gehe von der derzeitigen Marktlage aus. Der geplante Betriebsbeginn des Jochberg-Projekts liege jedoch zwischen 2022 und 2025. Bis dahin werde die Volatilität der Einspeisung regenerativ erzeugten Stroms so hoch sein, dass der Pumpspeicher wirtschaftlich zu betreiben sei. Martini rechnet damit, dass es noch längere Zeit dauert, bis klare politische Rahmenbedingungen herrschen. Daher werde das Projekt derzeit nicht weiter verfolgt. Es sei aber nicht auszuschließen, dass es weitergeführt werde. Kontakt zum Wirtschaftsministerium habe es in jüngster Zeit keinen gegeben. Ministerpräsident Horst Seehofer habe jedoch kürzlich einen breiten Dialog angekündigt. „Vielleicht werden wir ja doch noch einmal angesprochen“, so der Chef des kommunalen Zusammenschlusses.

Die Studie „Analyse der Pumpspeicherpotentiale in Bayern“ steht hier zum Download zur Verfügung.

Fritz Wilhelm

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