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Regelenergie aus der BHKW-Sammlung

Die Stadtwerke Rosenheim sind mit bundesweit verteilten BHKW- und Notstromaggregaten auf dem Regelenergiemarkt aktiv. Ein „virtuelles Landwerk“ soll das dezentrale Kraftwerkskonzept jetzt ergänzen.
Schon seit Jahren bauen die Rosenheimer an ihrem virtuellen Kraftwerk. An dessen Anfang stand der Zusammenschluss von Notstromaggregaten, mittlerweile sind 40 davon in das virtuelle Kraftwerk eingebunden, erzählt Sebastian Ranner, Leiter Beschaffung bei den Stadtwerken Rosenheim. Das System ist jetzt auch durch Blockheizkraftwerke, ein Müllheizkraftwerk und ein Wasserkraftwerk ergänzt worden. Mittlerweile sind rund 50 MW Leistung für die Teilnahme am Regelenergiemarkt präqualifiziert.

Bereitgestellt und betrieben werden die Anlagen von insgesamt 20 kommunalen Energieversorgern, die bundesweit verteilt sind. Deren Blockheizkraftwerke nehmen dabei eine besondere Rolle ein: Sie können auch negative Regelleistung erbringen, indem sie bei Bedarf aus dem Dauerbetrieb heruntergeregelt werden. Dazu musste man sie mit Wärmespeichern ausrüsten, damit die Wärmeversorgung der Kunden auch dann gewährleistet bleibt, wenn vom Übertragungsnetzbetreiber TenneT negative Regelleistung angefordert wird.
 
Mit Gewerbekunden im Gespräch
 
Noch nicht mit eingebunden in das virtuelle Kraftwerk sind abschaltbaren Lasten aus Gewerbe und Industrie. Hier sind die Rosenheimer mit möglichen Partnern im Gespräch, sagt Ranner. Allerdings sei es oft schwierig, die Anforderungen des virtuellen Kraftwerkes mit jenen aus der Produktion in Einklang zu bringen. Wirtschaftlich interessant könnte nach seiner Einschätzung für die Betriebe das Bereitstellen von abschaltbarer Leistung durchaus sein. Denn die Erlöse bei negativer Leistung sind höher als das Bereitstellen von positiver Regelleistung.

Angeboten werden von den Stadtwerken Minutenreserve und Sekundärregelenergie; erstere muss innerhalb von 15 Minuten nach der Anforderung durch TenneT bereitstehen, letztere innerhalb von fünf Minuten. Ein Kraftwerk, das an den täglichen Regelleistungsauktionen des Übertragungsnetzbetreibers teilnehmen will, muss eine Mindestleistung von 5 MW haben und sein Funktionieren im angepeilten Zeitfenster durch die Präqualifizierung unter Beweis stellen.
 

Die Stadtwerke Rosenheim haben BHKW aus dem ganzen Bundesgebiet zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen 
Bild: Stadtwerke Rosenheim

Künftig sollen auch vermehrt Biogasanlagen in das virtuelle Kraftwerk eingebunden werden. Die Teilnahme am Regelenergiemarkt, die bisher schon mit größeren Anlagen im Leistungsbereich zwischen 300 und 500 kW funktioniert, will Ranner jetzt auch für kleine Biogasanlagen möglich machen. An dem „virtuellen Landwerk“, so heißt das Konzept in Rosenheim, sollen Biogasanlagen ab 50 kW Leistung teilnehmen können. Angesprochen hat man dazu Betreiber aus dem Landkreis Rosenheim, bayrisch stilecht treffen sie sich zu einem „Biogasstammtisch“, erzählt Ranner. Derzeit sind bis zu zwölf Betreiber in der Testphase, sie sollen demnächst auf das Steuer- und Vermarktungssystem aufgeschaltet werden. Das Ziel ist, die Anlagen möglichst bedarfsgerecht zu steuern.
 
IT für Steuerung und Abrechnung
 
Geregelt und abgerechnet werden alle Leistungen des virtuellen Kraftwerkes über die Software BelVis von Kisters. Alle Betreiber können in das IT-System zunächst die Verfügbarkeit ihrer Kraftwerke eintragen. Der Operator sieht dann, welche Leistung er insgesamt vermarkten kann. Die Reserveleistung wird auf der Auktion für den nächsten Tag angeboten, bei Bedarf ruft der Übertragungsnetzbetreiber die Kraftwerke dann automatisch ab.

Die Software sorgt dafür, dass der Anlagenbetrieb registriert und anschließend mit allen Beteiligten abgerechnet wird. Rund 20 Geschäftsmodelle lassen sich laut Kisters mit dem Programm abbilden. Berücksichtigt werden bei der Berechnung Strom, Gas und Wärme. Die Software kennt dazu alle Lasten sowie die Einkaufs- und Bezugsverträge, die berücksichtigt werden müssen. Eingebunden werden auch Börsendaten und die technische Charakteristik der Kraftwerke, etwa deren An- und Abfahrgeschwindigkeit.

Da sich die Preise ständig ändern und weil zwischen der Abgabe eines Angebotes und dem Zuschlag mitunter sehr schnell gehandelt werden muss, erledigt das Programm die Erstellung eines Angebotes und die Aufteilung auf die verfügbaren Leistungen automatisch. Es verwaltet auch fällige Zuschläge und erstellt alle nötigen Fahrpläne für die einzelnen Aggregate. Die Software visualisiert dem Betreiber, welche Kraftwerke mit welchen Leistungen dann tatsächlich in Betrieb waren, um das Netz stabil zu halten.

Armin Müller

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