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Neue Messkonzepte für die Digitalisierung

Smart Meter erfassen nur den Stromverbrauch, andere Energieträger bleiben oft unberücksichtigt. Start-ups wollen dies mit Lösungen ändern, die zugleich das Stromablesen revolutionieren.
Einst Studenten, heute Unternehmer im Messtechnikbereich – das ist Aedifion. Die Absolventen der Ingenieursschmiede RWTH Aachen entwickeln Werkzeuge für die cloudbasierte Verarbeitung von Betriebs- und Verbrauchsdaten.

Der Clou dabei: Egal, auf welcher Protokollbasis die Daten erstellt und verarbeitet werden, sei es Bacnet, KNX, OPC oder Modbus, mit der Lösung der Aachener können sie zusammengefasst, gemeinsam verarbeitet und visualisiert werden. Dies ist insbesondere für Unternehmen etwa in der Wohnungswirtschaft interessant, die über Jahre hinweg durch Zukäufe gewachsen sind und dabei verschiedene Betriebssysteme in den Messsystemen der verwalteten Immobilien „erbten“.

Technisch besteht die Lösung aus einem handtaschengroßen Industriecomputer, der als Gateway arbeitet. Er kann automatisiert alle Knotenpunkte und Zählerstellen in Immobilien erkennen und auswerten. Dabei ist das System lernfähig und kann so Teile der Gebäudeautomation selbst steuern.

Die Messtechnik eignet sich vor allem für Immobilien, in denen sehr viele Zählerstellen erfasst werden müssen. Nach Auskunft des Unternehmens geht bei den Auslesesystemen, die bisher installiert wurden, die Fehlerquote gegen null.
 

Alle Zähler werden digital überwacht: Energetikum an der Fachhochschule Burgenland
Bild: Bubu Dujmic

 Im Energetikum, einem Forschungslabor der Fachhochschule Burgenland (Österreich), werden in Zehn-Sekunden-Intervallen 5 400 Messpunkte erfasst, im Eon-Energieforschungszentrum in Aachen sogar 15 000. Die Algorithmen in diesem Gebäude sind so ausgelegt, dass das System vollautomatisch die Temperaturregelung übernimmt und beispielsweise vorausschauend erkennt, wann die Räume belegt oder leer sind. So können rechtzeitig entweder Heizung oder Kühlung reguliert werden.
 
Anyline liest Zählerdaten als Foto aus
 
Das Ablesen der Verbrauchsdaten erfolgt heute schon teilweise digitalisiert. Angestoßen haben diese Entwicklung Unternehmen wie Pixolus und Anyline, die eine App entwickelten, mit der Zählerdaten über die Fotofunktion des Handys eingelesen werden können. Diesen Gedanken entwickelt Anyline aus Wien seit vier Jahren weiter. Beide Unternehmen nutzen dabei die OCR-Technologie (optical character recognition, optische Zeichenerkennung).

Die Anyline-Software lässt damit die Handykamera zum Ablesegerät werden. Zählerstände kann man so schnell erfassen. Die Software wurde bereits in die Apps von Energieversorgern wie Eon, Vattenfall und Edison integriert. Zusätzlich können die Zähler über die Seriennummer identifiziert werden. So ist sichergestellt, dass der richtige Wert für den jeweiligen Zählpunkt gespeichert wird.
Diese Lösung sehen die Entwickler nicht als Konkurrenz zum Smart Meter Rollout, sondern als dessen Unterstützung. Denn der Übergang von nicht smarten Messgeräten hin zu Smart Metern sei damit möglich.

In Wien unterstützt die App zurzeit den Wechsel von 1,6 Mio. Stromzählern. Die Fehlerquote beim Ablesen geht gegen null, weil Zahlendreher, die bei der händischen Erfassung durchaus vorkommen, ausgeschlossen sind. Gleichzeitig erfasst man die Zählerstände nicht nur digital, sondern sichert sie auch als Beweisfoto. Als Kunden für ihre Entwicklung sehen die Wiener vor allem kleinere und mittlere Stadtwerke.
 
Green Pocket hilft beim Vergleich von Immobilien
 
Green Pocket ist schon seit neun Jahren am Markt. Die Entwickler aus Köln legen besonderen Wert auf eine einfache Bedienbarkeit ihrer Software. Mit ihr sollen Mess- und Ableseprozesse in der Immobilienwirtschaft verändert werden.

Die Besonderheit der Software: Sie kann die Verbrauchsdaten von Räumen und Immobilien mit vergleichbaren Gegebenheiten, etwa gleichen Wohnungsgrößen mit ähnlicher Belegung, miteinander abgleichen. Dadurch lassen sich schnell Unregelmäßigkeiten wie Mehrverbräuche entdecken und analysieren.
Einer der größten Anwender ist die GAG Immobilien AG aus Köln, die 42 000 Wohnungen verwaltet. Green Pocket tritt bei ihr als White Label auf und bleibt mit ihrer Software im Hintergrund. Die Messdienstleistung selbst wird durch den Kunden erbracht. Im Falle der GAG war noch Kölns Energiedienstleister Rheinenergie mit an Bord.

Für Wohnungsunternehmen eröffnen die neuartigen Softwarelösungen den Weg in neue Geschäftsfelder. Denn die Abrechnung von Heizung, Warmwasser und Strom können sie mit der Software im Hintergrund in Zukunft selbst bewerkstelligen, anstatt Messdienstleister zu beauftragen. 
 
Discovergy nutzt den Smart Meter Gateway
 
Discovergy aus Heidelberg entwickelte ebenfalls eine White-Label-Lösung, mit der die Kunden Messdienste unter eigener Marke anbieten können. Einen besonderen Fokus legen die Nordbadener auf die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Im Zuge des Smart Meter Rollouts für Stromzähler geht es auch um eine schnelle und übersichtliche Visualisierung der Daten.

Mit dem System von Discovergy lassen sich aber auch alle anderen Verbrauchsdaten über das beim Rollout vorgesehene Smart Meter Gateway einbinden. Wenn ab 2021 Immobilieneigentümer oder -verwalter einen einheitlichen Messstellenbetreiber wählen können, wird das System besonders interessant. Ähnliches gilt für Mieterstromprojekte, die sich mit dem System einfach abrechnen lassen.

Frank Urbansky

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