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FDP-Chef Lindner schießt weiter gegen die Windkraft

Sollten die Liberalen nach der Bundestagswahl am 24. September Regierungsverantwortung übernehmen können, muss sich die heimische Windbranche auf ziemlich viel Ungemach einstellen.
Die Bundestagswahl am 24. September wird für die heimische Windbranche von großer Bedeutung sein. Sollte es zu einer schwarz-gelben Bundesregierung kommen, droht der Windindustrie Ungemach. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa hat FDP-Chef Christian Lindner angekündigt, dass seine Partei den Windkraft-Ausbau bundesweit auf ein „vernünftiges Maß“ begrenzen wolle: „Es macht keinen Sinn, einen Energieträger mit hohem Tempo und Subventionen auszubauen, wenn der produzierte Strom nicht genutzt werden kann.“ Deutschland, so Lindner weiter, brauche „eine marktwirtschaftliche Wende in der Energiepolitik, die das ökonomisch und physikalisch Machbare berücksichtigt.“

Eher als kosmetische Rhetorik dürften Windparkbetreiber und potenzielle Investoren seine Worte bewerten, wonach er „ein überzeugter Anhänger von moderner Energietechnologie und auch von regenerativen Energien“ sei.

Einen Vorgeschmack, wie es mit dem Windkraftausbau an Land nach dem 24. September weitergehen könnte, hat Lindner mit dem Ende Juni vorgelegten Koalitionsvertrag in Nordrhein-Westfalen gegeben. Dort hatten Christdemokraten und Liberale die Landtagswahl am 14. Mai gewonnen und die bisherige rot-grüne Regierungskoalition abgelöst.

In dem 121-seitigen Koalitionsvertrag konnte sich die FDP mit ihrer Forderung durchsetzen, dass der Bau neuer Windkraftanlagen nur noch in einer Entfernung von 1 500 Metern zur geschlossenen Wohnbebauung möglich sein wird – abgesehen von Bayern gibt es in keinem anderen Bundesland ein solche rigorose Abstandsregelung. Sollte die neue selbst ernannte „Nordrhein-Westfalen-Koalition“ ihre Windpolitik rechtskräftig umsetzen können, würden landesweit um die 80 Prozent potenzieller Flächen für neue Windturbinen auf einen Schlag gestrichen. Außerdem verständigten sich die schwarz-gelben Koalitionäre auf eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sowie eine Änderung des Baugesetzbuches, in dem die Privilegierung für den Bau von Windturbinen im sogenannten Außenbereich aufgehoben werden soll.

Solche legislative Unterstützung von der Bundesebene braucht FDP-Chef Lindner, um wie gewünscht den künftigen Windkraftausbau zwischen Rhein und Weser schnell auszubremsen. Außerdem müsste Schwarz-Gelb die Energiekapitel in dem erst in diesem Februar neu in Kraft getretenen Landesentwicklungsplan (LEP) ändern. Zu dessen Zielen zählen bis 2020 ein mindestens 15-prozentiger Windstromanteil sowie eine regenerative Quote von 30 Prozent bis 2025 an der landesweiten Stromversorgung. „Ohne eine LEP-Änderung im Landtag gilt diese Zielsetzung unverändert, und zwar auch Ebene der Regionalpläne“, betonte Klaus Lauer, der als Dezernent bei der Bezirksregierung Münster den neuen Regionalplan für das Münsterland betreut hat, jüngst auf dem Branchentag Windenergie NRW in Düsseldorf. Bis solche Änderungen umgesetzt seien, so der Regierungsdirektor, seien „viele langwierige Verfahren notwendig“. Bestes Indiz dafür: Für die jüngste LEP-Änderung in Nordrhein-Westfalen hat es 22 Jahre gebraucht.

Auch eine Änderung des bestehenden Windenergieerlasses reicht nach Einschätzung von Hendrik Schilder nicht aus, neues Planungsrecht für den Windsektor zu schaffen: „Ein Erlass allein ist planungsrechtlich nicht bindend“, sagte der Verwaltungsjurist auf der gleichen Veranstaltung.

Jan Dobertin weiß um die Feinheiten des Planungsrechts. Der Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) wirft dem FDP-Chef Lindner deshalb eine Verunsicherung der Windbranche und der breiten Öffentlichkeit vor. Außerdem hält er Lindner eine widersprüchliche und „teilweise sachlich völlig haltlose Argumentation“ vor: „Wenn Lindner beispielsweise davon spricht, dass in Nordrhein-Westfalen Stromleitungen und Speicher für die Nutzung des Windstroms fehlen, übersieht er geflissentlich die Statistiken der Bundesnetzagentur, wonach 2016 nur 0,4 Prozent des bundesweit abgeregelten Stroms aus erneuerbaren Energien auf Nordrhein-Westfalen entfallen sind.“ Von teurem, ungenutztem Windstrom, den BAföG-Empfänger und Rentnerinnen, so die Lindner-Rhetorik, bezahlen müssten, könne deshalb keine Rede sein, so Dobertin.

Er vermisst in Lindners Windkraft-Philippika ernst zu nehmende Hinweise, wie „Deutschland seine nationalen Klimaziele ohne eine weiterhin dynamischen flächendeckenden Ausbau der Windenergie an Land schaffen will.“ Dass sich die neue schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf verbal zu den Zielen des Pariser Weltklimaabkommens bekannt hat, sei angesichts der konkreten Maßnahmen des Koalitionsvertrages wenig glaubwürdig. „Aufgrund der extremen Herausforderungen, die der Klimawandel aktuell an Regierungshandeln stellt, dürfen die energiepolitischen Pläne der neuen NRW-Koalition keine Blaupause für die Bundesebene darstellen. Vielmehr braucht es eine künftige Bundesregierung, die wirklich zu den Zielen der Energiewende und des Klimaschutzes steht, anstatt sie zu verwässern oder durch bestimmte Schritte unmöglich zu machen“, so Dobertin.

Absehbar ist heute schon, dass gerade die Auseinandersetzungen zwischen der Windbranche und dem FDP-Bundesvorsitzenden bis zur Bundestagswahl noch weiter an Fahrt und Schärfe zunehmen werden.

Ralf Köpke

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