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Energiewende made in Berlin

Mit einer Kombination aus verfügbarer Technik lässt sich heute eine klimaneutrale Wärmeversorgung für ein städtisches Quartier realisieren, zeigt der Berliner Energieversorger Gasag.
Bei der Dekarbonisierung der Energieversorgung stehen viele Städte vor großen Aufgaben. Im Berliner Büro- und Wissenschaftsquartier Euref-Campus zeigt der Energieversorger Gasag bereits, wie eine klimaneutrale Wärme- und Kälteversorgung funktionieren kann. Zuletzt hat das Unternehmen dafür seine bestehende Energiezentrale für das Quartier um eine kombinierte Power-to-Heat-/Power-to-Cool- Anlage erweitert, die Heizwärme und vor allem im Sommer auch Kälte für die Klimatisierung der Büros liefern soll.

Der neue Kombianlage, besteht aus einem Elektroheizer mit 550 kW elektrischer Leistung zur Wärmeproduktion und zwei isolierten Speicherbehältern mit je 22 m3 Fassungsvermögen. Sie ist an das Wärmeverteilnetz auf dem Campus angeschlossen und soll auch noch mit dem Kälteverteilsystem sowie den beiden Kompressionskältemaschinen in der Energiezentrale verbunden werden. Dann könnten künftig die beiden Speicher im Sommer auch für Kühlenergie genutzt werden. Mit der Anlage werden Heizwärme wie auch Kühlenergie für das Quartier mit Ökostrom erzeugt.

Berlins Senatorin für Wirtschaft und Energie, Ramona Pop (Grüne), sagte bei der Inbetriebnahme, die Gasag führe vor, „wie „Energiewende made in Berlin“ aussehe. Das Unternehmen demonstriere zudem, „wie Klimaschutzziele kostengünstig erreicht werden könne“, ergänzte Vertriebsvorstand Matthias Trunk.

Die Power-to-Heat-/Power-to-Cool-Anlage soll vor allem Windstrom aus dem Berliner Umland nutzen, wenn dieser günstig zu beziehen ist. Die Möglichkeiten dazu sind gut, denn in Brandenburg wird mehr Strom produziert als verbraucht wird. Weil auch die Leitungen zum Abtransport fehlen, müssen die Windkraftwerke in der Region immer wieder abgeregelt werden. Im Jahr 2016 wurden laut Gasag rund 335 Mio. kWh in Brandenburg produzierter Strom wegen solcher Eingriffe nicht genutzt. Diese Energiemenge würde ausreichen, um Berlin zehn Tage mit Strom zu versorgen oder auch eine ganze Menge Wärme und Kälte für den Euref Campus zu produzieren.

Mit Wärmeerzeugung das Stromnetz stabilisieren

Durch die Nutzung des Windstroms bei hoher Produktion kann die neue Anlage auch zur Stabilisierung des Stromnetzes betragen. „Das Quartier ist damit Verbraucher, Erzeuger, Speicher und Netzstabilisator in einem“, bringt Frank Mattat, Geschäftsführer der Gasag Solution plus GmbH, die Vorteile auf den Punkt.

Um die technischen Möglichkeiten in größerem Umfang zum Einsatz zu bringen, müsse jedoch der Ordnungsrahmen angepasst und solche Anlagen von Abgaben wie EEG-Umlage und Netzentgelten befreit werden. Der Gasag hilft, dass die neue Kombianlage auf dem Euref-Campus als Teil des Erneuerbare-Integrationsprojekts Windnode und des Schaufensterprogramms Sinteg vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird.

Auf dem Euref-Campus um den ehemaligen Schöneberger Gasometer, der heute als Veranstaltungsraum dient, arbeiten derzeit rund 2 500 Menschen in sanierten Altbauten und bislang drei neuen Bürogebäuden, die hohen Energieeffizienzstandards genügen. Im September wurde Richtfest für Berlins erstes KfW-55-Bürogebäude gefeiert. Das Hochhaus mit 12 000 Quadratmetern Nutzfläche, dessen Primärenergiebedarf bei lediglich 55 Prozent und dessen Transmissionswärmeverlust bei nur 70 Prozent der laut Energiesparverordnung zulässigen Höchstwerte liegt, soll 2018 fertiggestellt werden.

Das Euref-Quartier wird bereits seit 2014 von der Gasag vollständig klimaneutral mit Wärme und Kälte versorgt. Etwa 60 Prozent der dafür nötigen Wärme liefert ein großes, mit Biomethan betriebenes Blockheizkraftwerk mit 470 kW thermischer und 400 kW elektrischer Leistung. Den Rest steuern zwei kleinere BHKW und zwei mit Erdgas gefeuerte Kesselanlagen bei. Deren CO2-Ausstoß wird über eine Gutschrift aus der Ökostromproduktion in den BHKW neutralisiert. Eine mit Ökostrom betriebene Kompressionskälteanlage (2 x 1 MW) produziert Kühlenergie. Die Besonderheit: Die dem Euref in Rechnung gestellten Kosten liegen nicht über denen von konventionell erzeugter Fernwärme, betont Mattat.

Doch nicht nur die Wärmeversorgung des Euref-Campus ist auf Klimaverträglichkeit ausgerichtet. Photovoltaikanlagen und kleine Windräder auf den Bürohausdächern erzeugen Strom für das Quartier. Die Gasag ist auch am Aufbau eines Smart-Grids für den Campus beteiligt und betreibt dort eine große Elektroauto-Tankstelle, die Strom von einem Solardach nutzt.

Peter Focht

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