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Digitalisierung: Noch kein einheitliches Problemverständnis

Im Gespräch mit E&M haben die Autoren des Digitalisierungsbarometers, Helmut Edelmann von Ernst & Young und Wolfgang Zander von BET, ihre wesentlichen Erkenntnisse erläutert.
Vier sogenannte Digitalisierungsbarometer soll es bis 2021 geben. Den Auftrag dafür haben die Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young sowie BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung in Aachen vom Bundeswirtschaftsministerium erhalten. Die Veröffentlichung des ersten Berichts mit dem Titel „Digitalisierung der Energiewende erfordert neues Denken“ steht nun an.

Absage an nicht-zertifizierte Gateways

Eine Rangliste von gravierenden Defiziten gebe es nicht. Doch sei insgesamt ein Mangel an ganzheitlichem Denken und Verständnis der Akteure, wie die Digitalisierung umzusetzen ist, erkennbar. Die Beteiligten würden noch nicht mit dem gleichen Problemverständnis an die Aufgabe herangehen, beklagt Zander.
Konkret würde ein übergreifendes Projektmanagement helfen. Ein Blick über den eigenen Zuständigkeitsbereich hinaus, sei selten. „Dies gilt für das Gesamtprojekt wie auch in jedem einzelnen Unternehmen: Die Eichbehörden achten auf das Eichrecht, kümmern sich aber wenig um die Vernetzung im Smart Home. Die Vertriebe entwickeln Smart-Home-Produkte, scheinen dabei aber das Smart Meter Gateway nicht so richtig im Blick zu haben“, sagt Edelmann.
 

Helmut Edelmann ist Director Utilities bei Ernst & Young. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler leitet die weltweiten Aktivitäten der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die sich auf Smart Metering, Smart Grids und Smart Home beziehen
Bild: Privat

Alternativen, nicht-BSI-zertifizierten Messsystemen erteilen die Autoren des Digitalisierungsbarometers grundsätzlich eine Absage. Es seien nur „kurzfristige Scheinlösungen“, um mehr Tempo in den Digitalisierungsprozess zu bringen. Langfristig wäre es allerdings kontraproduktiv, vermehrt nicht-zertifizierte Gateways einzusetzen. Denn man würde sich immer weiter von einer standardisierten Technologie und einem bundesweit einheitlich hohen Sicherheitsniveau entfernen.
 
Datenbasis von 2017 – Im Zeitalter der Digitalisierung nicht vertretbar
 
Ein Beirat, dem Vertreter der Energiewirtschaft, aber beispielsweise auch Repräsentanten der Automobil- und Telekommunikationsbranche angehören, soll Daten, Informationen und fachliche Expertise zum Digitalisierungsbarometer beisteuern. Dieser Beirat habe sich an sich sehr aktiv eingebracht. Doch aktuelle Daten seien nicht wie erhofft bereitgestellt worden. „Damit haben wir weiterhin das Problem, dass wir heute über aktuelle Entwicklungen sprechen, aber eine Datenbasis – die öffentliche Statistik hinkt ja immer weit hinterher – von 2017 oder noch früher haben. Das ist im Zeitalter der Digitalisierung nicht vertretbar“, so Edelmann.
 

Wolfgang Zander ist Gründer von BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung und war bis Ende 2017 dessen Geschäftsführer. Der promovierte Elektrotechniker ist seit 1. Januar 2018 Generalbevollmächtigter des Unternehmens
Bild: BET/Gabriele_Steinig

Eine Branche, auf die die Autoren ein besonderes Augenmerk haben, ist die Telekommunikation. Während Unternehmen aus diesem Sektor zum Teil die Digitalisierung der Energiewende als wesentliches Geschäftsfeld ansehen, seien andere wesentlich mehr an Streaming-Diensten und Unterhaltungsangeboten interessiert, berichtet Zander. Dabei sei gerade die Telekommunikation ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Digitalisierung der Energiewende. In einem zentralisierten System seien alle systemrelevanten Kraftwerke an eine ausschließlich der Energieversorgung gewidmete, meist kabelgebundene IKT-Struktur angebunden. In einem dezentralen System mit mehreren Zehnmillionen Anlagen sei dies nicht mehr möglich. Vor diesem Hintergrund wäre nach Zanders Überzeugung das 450-MHz-Netz eine gute und sichere Lösung für die Zukunft. Denn eine schwarzfallfähige Kommunikationstechnologie sei unerlässlich. Eine systematische Klärung der Frage, wie ein schwarzfallfähiges, vollständig dezentrales System aussehen könnte und welche IKT-Struktur man dafür bräuchte, habe es bisher aber noch nicht gegeben. „Da besteht dringender Handlungsbedarf“, betont Zander.

Die Arbeit am Digitalsierungsbarometer hat jedoch auch Positives und konkrete Ergebnisse hervorgebracht, wie der BET-Gründer betont. So sei mit der Spitzenglättung beispielsweise ein konkreter Vorschlag zur Lösung des komplexen Problems der Integration flexibler Lasten in das Energiesystem entstanden. „Es wird schon seit einiger Zeit in der Branche diskutiert, das Feedback ist sehr positiv. Die Tauglichkeit des Instruments wird allgemein gesehen“, freut sich Zander. Jetzt müssten zügig die vielen Detailfragen der Umsetzung angegangen werden.

Das vollständige Interview mit Helmut Edelmann und Wolfgang Zander können Sie demnächst in E&M Powernews sowie in der nächsten Ausgabe von Energie & Management lesen.
 

Fritz Wilhelm

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