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Berliner Wärme- und Effizienzwende

25 Jahre nach dem Mauerfall ist Berlin zwar versorgungstechnisch längst wieder eine Stadt – doch Energiewende und Klimaschutz stehen auch an der Spree noch vor großen Aufgaben. Der Wärmemarkt zeigt bereits Erfolge.
Die Klimaschutz-Ambitionen in der Hauptstadt sind groß: „Berlin soll bis 2050 klimaneutral werden“, sagt Umweltstaatssekretär Christian Gaebler. Wie das gehen kann, zeigt eine Machbarkeitsstudie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung aus dem Frühjahr. Sie soll die Basis für das lange geplante Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm sein.

Auch wenn dieser Leitfaden noch nicht steht, spielt Klimaschutz schon seit Jahren eine wichtige Rolle. Berlin fühlt sich seit Mauerzeiten als Hauptstadt der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die großen Versorger Vattenfall und Gasag, aber auch Krankenhäuser und Wohnungsbaugesellschaften haben sich gegenüber dem Senat in individuellen Klimaschutzvereinbarungen zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen verpflichtet. Dienstleister wie die Berliner Energieagentur (BEA) bemühen sich intensiv um mehr Effizienz und Erneuerbare.
 

Berlin will klimaneutral werden: Solardach auf dem Roten Rathaus
Bild: Berliner Energieagentur

Vor allem der Wärmebereich sei ein zentraler Hebel für Klimaschutz, meint BEA-Geschäftsführer Michael Geißler. Weil die Erzeugung von Wind- und Solarstrom in der Stadt begrenzt sei, „muss die Energiewende in Berlin vor allem eine Wende zu mehr Energieeffizienz sein“, fordert er. Wie das geht, zeigen aktuelle Projekte.

Wohnquartiere mit KWK zu erschließen ist ein Weg. Einer der Spezialisten dafür ist die BEA, die bereits 70 Blockheizkraftwerke (BHKW) in Wohngebäuden, aber auch in Krankenhäusern, in einer städtischen Feuerwache und im Großmarkt im Contracting betreibt. Im nächsten Jahr kommt ein weiteres dazu. Es wird vier Wohnanlagen der Immobiliengesellschaft Gesobau mit 250 Mietparteien im Stadtteil Wedding mit Wärme versorgen. Die BEA installiert ein erdgasbetriebenes BHKW (78 kW thermische, 34 kW elektrische Leistung), das ab Ende 2015 etwa 20 Prozent des Jahreswärmebedarfs (2,8 Mio. kWh) decken soll. Lastspitzen fährt ein Brennwertkessel ab.

Klimaschonende Wärme und Strom für die Mieter

Auch die Mieter sollen finanziell von der neuen Wärmeversorgung profitieren, die den CO2-Ausstoß gegenüber der früheren Ölheizung um 295 t pro Jahr reduziert.

Ebenfalls im nächsten Jahr in Betrieb nehmen will die Energieagentur einen neue Wärmeversorgung für sieben Wohnblocks im Stadtteil Lichtenberg. Dort werden ein Nahwärme- und Stromnetz mit einem BHKW (207 kWth, 140 kWel) sowie ein Erdgas-Brennwertkessel (600 kWth) für die Spitzenlast installiert. Sie sollen die Kesselanlagen in den bisher sieben Energiezentralen ersetzen. Ergebnis: 400 t weniger CO2-Emissionen.
 

Michael Geißler empfiehlt den Effizienzweg für Klimaschutz in der Hauptstadt
Bild: Berliner Energieagentur

Besonderheit der beiden neuen Projekte: Die Wohnungsmieter können auch günstigen Kiezstrom von der BEA beziehen. Das Unternehmen beliefert 3 200 Kunden mit Ökostrom aus seinem BHKW oder Photovoltaikanlagen.

Auf erneuerbare Energien und Effizienz setzt die Vattenfall Europe Wärme AG. „Fernwärme ist der ideale Weg, um erneuerbare Energien in die Wärmeversorgung von Städten zu bringen“, sagt Vorstandssprecher Gunther Müller. Seit Anfang des Jahres wird das im Vattenfall-Heizkraftwerk Moabit (240 MWth, 150 MWel praktiziert.

Die Wirbelschichtfeuerung der Anlage, bislang mit Steinkohle betrieben, wurde für etwa 20 Mio. Euro so umgebaut, dass bis zu 40 Prozent der Feuerungswärmeleistung über Holzhackschnitzel erbracht werden können. Jede Tonne Holz verringere die CO2-Emissionen um eine Tonne, so die Berechnungen. Die Biomasse stammt aus dem Umland der Hauptstadt.

Holzhackschnitzel nutzt Vattenfall seit dem Frühjahr zudem im Heizkraftwerk Märkisches Viertel (18 MWth, 5 MWel). Die KWK-Anlage versorgt etwa 30 000 Wohnungen der Gesobau, Industriebetriebe und öffentliche Einrichtungen weitestgehend klimaneutral mit Wärme.

Effizienzsteigerung bei der Wärmeerzeugung

Müller sieht in der wachsenden Hauptstadt gute Perspektiven für die Fernwärme, die dort einen Anteil von 28 Prozent am Wärmemarkt einnimmt. Deshalb saniert Vattenfall auch seine Heizkraftwerke. Im Frühjahr ging die neue Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) im Heizkraftwerk Buch (130 MWth, 12,5 MWel) ans Netz, bis zur Heizsaison 2016/17 soll auch die neue GuD im Stadtteil Lichterfelde betriebsbereit sein. Für den Stadtteil Marzahn ist ein weiteres solches Energieeffizienz-Bündel geplant. Neben den großen Heizkraftwerken betreibt das Unternehmen auch 50 BHKW in Berlin.

„Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ergänzt perfekt die erneuerbaren Energien“, unterstreicht Müller. Die KWK drohe jedoch wegen der Veränderungen in der Stromerzeugung in die Unwirtschaftlichkeit zu rutschen. Die für nächstes Jahr angekündigte Novellierung des KWK-Gesetzes müsse deshalb eine „langfristige wirtschaftliche Perspektive“ für KWK schaffen.
 

Gunther Müller will mit Fernwärme Erneuerbare in die Wärmeversorgung der Hauptstadt integrieren
Bild: Vattenfall

Das sieht man auch beim zweiten großen Energieversorger der Stadt so. Die Gasag versucht über ihre Contracting-Tochter bei der energetischen Sanierung von Wohn- und Geschäftsgebäuden mit Green-KWK zu punkten. Im Ullsteinhaus, einem Gebäudekomplex mit 80 000 m2 Nutzfläche unweit des ehemaligen Flughafens Tempelhof, wurde eine Ölkesselanlage durch ein BHKW (585 kWth, 550 kW el) und zwei Gaskessel (je 2 600 kW) für die Wärmespitzen ersetzt. Doch damit nicht genug. Als Brennstoff dient Bioerdgas, was eine klimaneutrale Wärmeversorgung ermöglicht und den CO2-Ausstoß um 2 800 t pro Jahr reduziert.

Mit dem Berliner Umweltpreis des Umweltverbandes BUND ausgezeichnet wurde jüngst ein innovativer Ansatz. Die Wohnungsbaugenossenschaft Märkische Scholle erhielt ihn für die im Frühjahr begonnene energetische Sanierung von 841 Wohnungen im Stadtteil Lichterfelde. Die Genossenschaft investiert 74 Mio. Euro, die Warmmieten sollen nahezu gleich bleiben.

Nach dem Konzept des Berliner Ingenieurbüros eZeit Ingenieure GmbH werden die Gebäude in Zukunft mit Heizenergie aus Solaranlagen, Erdwärmepumpen sowie zurückgewonnener Abluftwärme versorgt. In einem Erdwärmespeicher direkt neben den Wohnhäusern wird nicht benötigte Energie gebunkert. Ein dynamischer Energiemanager steuert die gesamte Wärmeversorgung.

Die Wärme- und Klimawende in Berlin zeigt also gute bewährte und neue Ansätze.

Peter Focht

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