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Wertschöpfung durch Intelligenz

Die Frage, wo in Zukunft Zellen und Batterien gefertigt werden, scheint im Moment mehr die Politik als die Unternehmen zu bewegen. Manche Firmen konzentrieren sich auch eher darauf, den Nutzen für die Speicherbetreiber zu maximieren.
Die einen meinen, der Zug sei schon abgefahren, die anderen halten es noch für möglich, dass deutsche Unternehmen bei der Fertigung von Batteriezellen zu den asiatischen Herstellern aufschließen. Henning Kagermann, der Vorsitzende der Nationalen Plattform Elektromobilität, hat jedenfalls die Aufholjagd eröffnet. „Wer in der Elektromobilität führend sein will, muss die gesamte Wertschöpfungskette abdecken“, so seine These. Die Zellproduktion in Großserie sei derzeit noch das fehlende Glied.

Wohl noch unter dem Eindruck des aus deutscher Sicht so erfolgreichen globalen Fußballwettstreits 2014 erhielt er großen Zuspruch aus der Politik. So sprang ihm etwa Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit der Losung zur Seite: „Wir wollen Innovationsweltmeister werden.“ Während der Feierlichkeiten zur Eröffnung einer Labor- und Testanlage am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm brachte sie die Batterie-Strategie ihres Hauses auf diesen Nenner.

Albrecht Werner hält es durchaus für möglich, dass sich in Deutschland die Zellenfertigung noch in wettbewerbsfähigem und damit vor allem in großem Stil etabliert. Als Vertriebsleiter der Manz AG hat er allemal ein natürliches Interesse daran. Ein Großteil der weltweiten Zellproduktion läuft schon jetzt auf den Anlagen des Maschinenbauers aus Reutlingen. Einzelne Aufträge über Produktionsanlagen für stationäre Batterien hat es bereits von heimischen Firmen gegeben. Im Bereich der automobilen Zellherstellung kommen die Bestellungen bisher vor allem aus den USA und aus Asien. Anfragen aus Deutschland und Europa führten bislang, so Werner, noch zu keinen großen Aufträgen in diesem Segment. Das sei jedoch nicht verwunderlich angesichts der finanziellen Dimensionen, in denen man sich beim Aufbau einer Zellenfertigung bewege. Als Finanzbedarf insgesamt, der neben den Investitionen beispielsweise auch die Anlaufkosten einschließt, hält er eine Milliarde Euro für ganz und gar nicht übertrieben.

Bei solchen Zahlen scheinen alleine Konsortien in der Lage, die Aufgabe zu stemmen. Nach Werners Ansicht wäre es daher gut, wenn mindestens ein Partner Know-how in der Zellfertigung mitbringen würde: „Bei der Fehleranalyse die richtigen Schlüsse zu ziehen und klare Entwicklungsschritte vorzugeben, wie die Leistung der Zellen in einem bestimmten Zeitraum gesteigert werden soll, setzt viel Erfahrung voraus.“

Werner geht davon aus, dass sich die Entwicklung der Batterietechnologien eher in Übergängen vollziehen wird als in großen Sprüngen. Er ist überzeugt: „Wer im nächsten Jahrzehnt bei der Zellfertigung eine Rolle spielen will, muss jetzt einsteigen. Man sollte nicht erst auf die Generationen drei oder vier der Lithium-Ionen-Technologien warten.“
Cordelia Thielitz, Leiterin des Geschäftsbereichs Stationäre Speicher bei Bosch, ist grundsätzlich skeptisch, ob wirklich jeder Produktionsschritt in Deutschland gemacht werden muss. „Welche Speicher sind eigentlich gemeint, wenn von einer Fertigung hierzulande gesprochen wird“, fragt sie und liefert die Antwort gleich mit. „Bei der E-Mobilität gibt es durchaus die Chance auf einen Massenmarkt für Batterien, die komplexe Situationen meistern müssen.“ Ein Kaltstart bei winterlichen Temperaturen, geringe Empfindlichkeit gegenüber Erschütterungen oder schlicht hohe Leistung auf engstem Raum bei geringem Gewicht sind wesentliche Anforderungen, die an die Zellen gestellt werden. „Bei stationären Speichern steckt die Wertschöpfung vor allem in der Intelligenz, die die einzelnen Batteriekomponenten miteinander spielen lässt und die Anlage in das Energieerzeugungs- und Verteilungssystem integriert.“ Die Zellen seien hier nicht der entscheidende Faktor.

Bei der Elektromobilität muss die Batterie den Fahrer auch bei widrigen Umständen von A nach B bringen. Bei stationären Speichern geht es darum, in den verschiedenen Anwendungsfällen den Nutzen für den Kunden zu maximieren. Für Thielitz heißt das vor allem: „Die Batterie möglichst gut ins Geld zu bringen.“ Diesen kommerziellen Aspekt betont die Bosch-Managerin ausdrücklich. Für die Kunden schnell die Zielkosten erreichen, schnell mit einer Anwendung wettbewerbsfähig sein, mit einer Technologie den Markt eröffnen, bevor es jemand anderes tut – das sind die wesentlichen Triebfedern der Projekte, auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen den Betreibern noch so manche Verrenkung abverlangen, damit sie die Speicher überhaupt als Puffer oder Netzstabilisator nutzen können, wie Thielitz berichtet.
 

Second Life Batteries: Gebrauchte Batterien aus BMW-Elektrofahrzeugen werden zusammengeschaltet. Die Steuerung kommt von Bosch. Die Vermarktung übernimmt Vattenfall
Bild: BMW

So auch beim 2,65-MW-/3,4-MWh-Kombispeicher im schleswig-holsteinischen Braderup, in dem je eine Vanadium-Redox-Flow- und eine Lithium-Ionen-Batterie verbaut sind. Für die Zwischenspeicherung von Windstrom aus Onshore-Anlagen sind sie ebenso ausgelegt wie für die Bereitstellung von Regelenergie. Mit den Testläufen ist Thielitz sehr zufrieden. Auch beim bewussten Überschreiten von nominalen Grenzwerten, beispielsweise für die Entladetiefe, habe sich der Speicher sehr robust gezeigt. Eigentlich überraschend, aber dann doch nicht so ganz. Denn im gerade aufblühenden Speichermarkt wehe den Unternehmen noch ein kräftiger Wind entgegen. „Daher zieht man sich auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen stationärer Speicherlösungen heutzutage zehn Pelzmäntel an, um wirklich auf der sicheren Seite zu sein.“

Ein weiteres Projekt, in das Bosch Anfang 2015 eingestiegen ist, ist ebenfalls kommerziell getrieben und kommt vollständig ohne Fördergelder aus: Gebrauchte Batterien aus BMW-Fahrzeugen werden zusammengeschaltet und von Bosch gesteuert. Die Zellen stammen von verschiedenen Herstellern und kommen in ganz unterschiedlichem Zustand in Hamburg an, wo Vattenfall die Second Life Batteries als 2-MW-Einheit an den Regelenergiemarkt bringen wird. „Herausfordernd“ nennt Thielitz die Aufgabe. Aber im Grunde sei es nur die konsequente Weiterentwicklung des bisherigen Bosch-Kerngeschäftes: steuern, messen, regeln.

Doch mit diesen drei Tätigkeiten ist der Technologiekonzern längst nicht mehr adäquat beschrieben. Intelligente Energienutzung und Effizienz sind die Zukunftsfelder, in die die Speicherstrategie eingebettet ist. Dabei ist dann doch nicht jeder Schritt kommerziell getrieben. „Wir haben das Budget und die Zeit, wenn nötig, auch Umwege zu gehen. Wir sind langfristig strategisch aufgestellt in der Speicherentwicklung“, betont Thielitz. Zur Strategie gehören Partnerschaften mit Forschungsinstituten in Deutschland genauso wie die Zusammenarbeit mit Start-Up-Unternehmen im kalifornischen Silicon Valley. Beispielsweise Zink-Brom-, Zink-Luft- oder Lithium-Luft-Technologien werden dort Stresstests unterzogen. Aber selbst wenn sie den Nachweis der Praxistauglichkeit schuldig bleiben sollten, bedeute das nicht den Weltuntergang, so Thielitz. Es wäre eben nur ein Umweg. Die Forschung an neuen Speichertechnologien gehe natürlich weiter.

Fritz Wilhelm

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