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Teyssen kritisiert Mutlosigkeit der Politik

Der Eon-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen fordert eine Abkehr von Symbolpolitik und ermahnt die Branche zu einem kundenorientierten Angang.
In seiner Keynote auf dem Handelsblatt-Energiewirtschaftskongress in Berlin konstatierte Teyssen eine massive Diskrepanz zwischen der derzeitigen Stimmung in der Branche und derjenigen in der Politik: „Wir haben die negative Stimmung hinter uns gelassen, der Kampf gegen Windmühlen ist vorbei“, sagt er zur aktuellen Situation in der Energiewirtschaft.

Dagegen verspüre er „in den letzten Wochen und Monaten das Gefühl einer Rolle rückwärts“, nämlich „wachsende Skepsis und Mutlosigkeit in der Politik“ in Bezug auf die Energiewende, nachdem anfangs Euphorie geherrscht habe. Dabei, so Teyssen, zeigten auch die Ergebnisse der BDI-Klimaschutzstudie, dass diese „neue Depression nicht angezeigt“ sei.

Denn es gebe einen „gigantischen Fortschritt der erneuerbaren Energien“. Der Eon-Chef verweist dazu auf die Technologieentwicklung und die enorm gesunkenen Kosten. So zeigt für ihn die Tatsache, dass die Batteriekosten von 1 000 US-Dollar/kWh auf 300 US-Dollar/kWh gesunken sind, „dass ein Teil des Speicherproblems wahrscheinlich wirtschaftlich lösbar ist“.

Bei anderen Technologien wie der Wasserstoffnutzung sei die Entwicklung noch abzuwarten. Man könne nicht sagen, „wie die sichere Wirklichkeit in zehn Jahren aussehen wird“, so Teyssen. Weder solle man angesichts der Macht und des Potenzials von Innovationen in Euphorie verfallen, noch wegen mancher Probleme alles schlecht reden. Dieser „Hybris“ sollte die Energiewirtschaft nicht verfallen, warnt er.

Neue Rolle der EVU durch Macht der Kunden

Politik wie auch Medien könnten „leicht Rollen drehen“, die Aufgabe der Branche sei aber, nachhaltige Lösungen für die Kunden zu schaffen. „Die Machtverschiebung vom zentralen zum dezentralen Markt ist irreversibel“, betont Teyssen. „Man wird die Kundenbeziehung ständig neu erfinden und erneuern müssen, sonst werden wir keinen Platz behalten.“ Statt „paternalistischen Fürsorge“ durch das EVU bekomme der Kunde jetzt die Macht. Und Eon vernetze die Kunden.

Es sei heute wegen der geringen Margen beim Strom wirtschaftlicher, dem Kunden zu helfen, Kilowattstunden einzusparen, anstatt ihm Kilowattstunden zu verkaufen. Dabei sei es nicht damit getan, etwa das Beleuchtungssystem auszuwechseln, „wir müssen komplexe Lösungen anbieten“, so der Eon-Chef, der sich über die enormen Wachstumsraten von 250 % seines Unternehmens in diesem Geschäft freut.

Aufgabe des 2020-Ziels richtig

Neu sei auch der Wechsel im Geschäftsgebaren: „Wir waren Kontrollfreaks. Jetzt wird es darauf ankommen, Partnerschaften zu können“, sagt Teyssen und verweist dazu auf Kooperationen wie die Eons mit Google bei smarten PV-Dachlösungen.

In der Politik wünscht sich der Eon-Chef einen Wechsel weg von fixen Zielen hin zu einem „Instrumentenkasten“. Dieser fehle in den bisherigen Festlegungen von Union und SPD zur Energiepolitik. Das Klimaziel für 2020 aufzugeben, findet er „angemessen“ und „mutig“ von den Groko-Verhandlern. „Ziele in dieser Präzision zu setzen, ist Symbolpolitik“, sagt Teyssen. Dennoch brauche man „am langen Ende Orientierungspunkte“, weshalb Zielangaben für 2030 und 2050 sinnvoll seien, auch wenn man wisse, dass die Planung für 2030 „so nicht kommt“.

CO2-Mindestpreis nötig, denn ETS funktioniert nur scheinbar

Das „alles entscheidende Instrument“ ist für Teyssen ein „wirksamer“ CO2-Preis: „Der ist durch nichts zu ersetzen.“ Der Eon-Chef plädiert für die Kombination eines Mindestpreises im EU-Emissionshandel in Kombination mit einer nationalen CO2-Bepreisung für die anderen Sektoren. „Der ETS funktioniert nur scheinbar“, betont Teyssen. „Bei 7 bis 8 Euro pro Tonne CO2 investiert keiner.“

Allerdings müsse es weiter einen Ausgleich für energieintensive Unternehmen geben, ebenso wie für Menschen mit niedrigem Einkommen, die oft Pendler seien und in schlecht isolierten Häusern wohnen. „Es geht nicht, sie die Energiewende bezahlen zu lassen.“ Dafür, so Teyssen, sollten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung genutzt werden.

Jahrhundertthema Digitalisierung angehen

Zudem gingen durch die CO2-Bepreisung die Belastungen des EEG-Kontos zurück – „sie sollten gezielt verringert werden“, fordert der Eon-Chef. Auch die Stromsteuer sollte abgeschafft werden. „Das alles fehlt mir noch in der Ausarbeitung der Groko.“ Sie sollte „für die wahrscheinlich gelingende Energiewende die Rahmenbedingungen schaffen.“ 2030 könnte gelingen, „weil wir in Deutschland echt gut sind“, macht Teyssen Mut.

Das zweite „Jahrhundertthema“, das die Politik angehen muss, ist für ihn die Digitalisierung. Mit deren Chancen, aber auch mit deren Auswirkungen, vor allem für die Arbeitsplätze, müsse man sich befassen. Bei der Digitalisierung könne man vielleicht sogar die Amerikaner überholen, meint der Eon-Chef.

Angelika Nikionok-Ehrlich

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