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Harter Schlagabtausch

Noch immer klaffen Welten zwischen manchen Vertretern von alter und neuer Energiewirtschaft. Das zeigte ein Schlagabtausch auf dem Handelsblatt-Energiewirtschaftskongress in Berlin.
Für den Vorstandsvorsitzenden von RWE, Rolf Martin Schmitz, ist es keine Frage: „Zur Absicherung der Versorgungssicherheit muss man heute die Technologien nutzen, die man hat.“ Für die nächsten zehn Jahre sieht er noch keine Perspektive durch andere Technologien. Und das heißt, dass weiter gesicherte Leistung aus den vorhandenen Kraftwerken bereit gestellt werden muss. Die meisten davon sind Kohlekraftwerke.

Dass man heute Back-up-Kapazität braucht, ist auch für Jochen Schwill, CEO von Next Kraftwerke, klar. „Die Frage ist aber, welche.“ Er verweist zum einen auf die bestehenden Überkapazitäten in der deutschen Stromerzeugung und die gesunkene Nachfrage nach Regelenergie, zum anderen vermisst er „die europäische Sichtweise“.

Deutschland befinde sich in einem der vernetztesten Systeme der Welt, und da müsse man keine Angst verbreiten, die Versorgungssicherheit sei nicht gewährleistet, betont Schwill. „Wir hätten die Möglichkeit gehabt, Braunkohlekraftwerke abzuschalten.“ Dies wäre auch international gesehen eine „symbolträchtige Geste“ gewesen, um das 2020er Klimaziel zu erreichen, sagt er, und „Deutschland als Energiewende-Weltmeister“ hätte das schaffen können.

CO2-Preis ist „unsinnig“

Woraufhin ihm RWE-Chef Schmitz empfiehlt: „Sie sollten doch lieber in die Politik gehen, wenn Sie hier falsche Fakten verbreiten.“ Man solle lieber die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur befragen. Die sagten, dass es ab 2022 mit der Versorgungssicherheit schwierig werde, wenn es eine Dunkelflaute gebe.

Der Kohleausstieg komme „sowieso“, betont Schmitz, Kohlestrom werde durch die immer weiter steigende Ökostrom-Einspeisung verdrängt, das werde sich „marktwirtschaftlich erledigen“. Daher wisse er auch nicht, „warum wir einen CO2-Preis brauchen. Nationale CO2-Preise sind absolut unsinnig“, so der RWE-Chef, der hier ganz anderer Ansicht ist als Eon-Chef Johannes Teyssen, der sich für eine CO2-Bepreisung einsetzt.

„Wir brauchen regulatorische Eingriffe, weil die externen Kosten nicht eingepreist sind“, sagt auch Next-Kraftwerke-Chef Schwill. Der europäische Emissionshandel ETS funktioniere nicht. „Wer von Köln nach Aachen fährt, fährt an den drei dreckigsten Kraftwerken Europas vorbei.“ Eine Aussage, die Schmitz, dessen Unternehmen diese Braunkohlemeiler gehören, umgehend zurückweist.

Kapazitätsmechanismen notwendig

Auch was das Funktionieren des Energy-Only-Marktes (EOM) angeht, sind die beiden Unternehmenschefs unterschiedlicher Meinung. Schwill plädiert für Investitionsanreize durch Strompreise, „die unbegrenzt sein müssen“. Er fordert dafür „energiewirtschaftlichen Mut“ ein, ebenso für die aus seiner Sicht für die kommenden zehn Jahre, in denen der Netzausbau noch hinterherhinkt, hilfreiche Aufspaltung des deutschen Marktes in mehrere Preiszonen.

„Die Lebensader unserer Volkswirtschaft auf energiewirtschaftlichem Mut aufbauen – so kann man nicht damit umgehen“, empört sich Schmitz. „Das Gegenstück zu Mut ist Angst“, entgegnet Schwill. „Das Gegenteil von Mut ist nicht Angst“, widerspricht Schmitz, „es ist Unmut“, und den habe er jetzt.

Der RWE-Chef sieht die Notwendigkeit für einen zusätzlichen Kapazitätsmechanismus: „Der Energy-Only-Markt sendet die Preissignale zu spät.“ Schmitz verweist dazu auf die Vorlaufzeiten für den Kraftwerksbau, bei Gas-Kraftwerken vier bis sechs Jahre. „Es geht viel schneller, kleinere dezentrale Anlagen zu bauen“, sagt Schwill. Doch solche, etwa BHKW, seien „eine unwirtschaftliche Lösung, sie sind ineffizienter als Großkraftwerke“, argumentiert hingegen Schmitz.

Er bricht allerdings eine Lanze für Biomasse: „Die ist regenerativ und speicherbar.“ Der Manager berichtet, dass RWE gerade in den Niederlanden zwei Kohlekraftwerke auf Biomasse umrüstet. „Das ist eine Weiterentwicklung, die wir gehen müssen.“

Angelika Nikionok-Ehrlich

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