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Groko-Sondierung: Klimaziel für 2020 soll aufgegeben werden

Die Sondierer von Union und SPD wollen Deutschlands selbst gestecktes Ziel für 2020, die CO2-Emissionen um 40 % gegenüber 1990 zu senken, offenbar aufgeben.
Das geht aus einem Ergebnispapier der Arbeitsgruppe zu Energie, Klima und Umwelt hervor, über das zuerst das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) und nun auch die Deutsche Presseagentur (dpa) berichtet hat. Eine offizielle Bestätigung der Verhandler dazu war auf Anfrage von E&M zunächst nicht zu bekommen. Nach Angaben des Redaktionsnetzwerkes heißt es in dem Papier: „Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht mehr erreicht werden.“

Es soll jedoch mit einem Maßnahmenpaket erreicht werden, dass die Lücke zu diesem Ziel so weit wie möglich geschlossen werden kann. Festhalten will man demnach aber zumindest an dem Ziel, die deutschen CO2-Emissionen bis 2030 um 55 % zu reduzieren.

Das Ergebnispapier der Arbeitsgruppe, die von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und dem bayerischen CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer geleitete wird, sollte der Sechserrunde der Partei- und Fraktionschefs vorgestellt werden, die den Kompromiss absegnen müssten.

Mit der Aufgabe des 2020er-Zieles würde Bundeskanzlerin Angela Merkel wortbrüchig. Sie hatte während des Bundestagswahlkampfes im September in einer Fernsehsendung zugesichert, dass Deutschland sein Klimaschutzziel bis 2020 einhalten werde. „Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen“, sagte sie auf eine Frage aus dem Publikum.

Kommission zum Kohleausstieg

Die Sondierer sprechen sich zudem für die Bildung der bereits seit November 2016 als Teil des Klimaschutzplans 2050 angekündigten Kommission zum Kohleausstieg aus. Sie soll einen Aktionsplan zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeiten.

Bereits seit längerem hatte die Bundesregierung selbst nach eigenen Zahlen eine erhebliche Lücke zum bereits 2007 festgelegten Klimaziel für 2020 konstatiert. Diese Lücke sollte eigentlich mit dem Klimaschutzplan geschlossen werden, der klare Beiträge des Wärme- und Verkehrssektors enthielt. Doch gab es dagegen massiven Widerstand.

In letzter Zeit mehrten sich Stimmen, die für eine „Streckung“ des 2020er-Ziels plädierten. In diese Richtung hatte sich unter anderem der CDU-Energieexperte Thomas Bareiß, geäußert.

Mangelnder Mut und klimapolitischer Rollback

„Den möglichen Koalitionären gehen politischer Ehrgeiz und ökologische Verantwortung ab, wenn sie schon nach ein paar Stunden sondieren vor dem deutschen Klimaziel kapitulieren“, kritisiert Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup. Natürlich könne Deutschland das 2020-Klimaziel erreichen, „dazu braucht es alleine politischen Mut.“

Austrup forderte die Parteichefs Merkel und Martin Schulz (SPD) auf, „ihre mutlosen Sondierer sofort zur Raison“ zu rufen, sonst drohe schon vor Beginn der Koalitionsgespräche ein „politischer Bankrott“. Jeder wisse, dass die kommende Bundesregierung sehr schnell einen geordneten Kohleausstieg auf den Weg bringen müsse.

„Das Einkassieren des 2020-Klimaziels ist ein klimapolitischer Rollback“, kommentiert Lorenz Gösta Beutin, Energie- und Klimapolitiker der Linken-Fraktion im Bundestag. Er verweist nicht nur auf das Versprechen der Kanzlerin. Auch die SPD um Spitzenkandidat Schulz habe den Wählerinnen und Wählern ein Festhalten am Klimaziel versprochen und zuletzt die Notwendigkeit eines Kohleausstiegs eingeräumt.

„Der für das Klimaziel so notwendige Kohleausstieg wird jetzt weiter vertagt. Dabei wäre es ein Mindestziel, bis 2020 die 20 schmutzigsten Braunkohlekraftwerke abzuschalten“, so Beutin. Es scheine ganz so, als seien CDU/CSU und SPD wieder einmal vor dem Druck von Industrie und Wirtschafts-Lobbyverbänden eingeknickt.

Angelika Nikionok-Ehrlich

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