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Daten-Training für Algorithmen

Prognosen im Umfeld des Energiehandels sind eine hoch digitalisierte Angelegenheit. Dass es immer noch besser und genauer geht, wollen die IT-Spezialisten von Powel beweisen.
Es gehe nicht darum, die Prognose neu zu erfinden, sagt Lena Lebahn, die beim Software-Haus Powel AS den Titel Innovation Facilitator trägt. Aber natürlich sei Machine Learning schon ein neuer Ansatz. Der entscheidende Unterschied zu herkömmlichen Prognosemethoden: „Man kann viel größere Datenmengen berücksichtigen und das System findet Korrelationen zwischen Datensätzen, auf die der Mensch häufig nicht kommt.“

In Norwegen hat das Unternehmen mit Tronder Energi ein Projekt auf die Beine gestellt, bei dem sowohl Wetter- als auch Produktions- und Prognosedaten über spezielle Algorithmen miteinander verknüpft wurden, um die Einspeisung der 25 Turbinen eines Windparks in der Nähe von Trondheim genauer vorhersagen zu können. Durch die neue Vorhersagemethode habe die Unsicherheit in der Prognose um 45 Prozent verringert werden können, was sich letztlich in einer Halbierung der Ausgleichsenergiekosten niedergeschlagen habe, erklärt Stein Petter Agersborg, Business Manager Smart Energy bei Powel.

Die Situation in Deutschland ist nicht ganz mit der in Norwegen zu vergleichen, wo aktualisierte Wetterdaten nur alle sechs Stunden verfügbar sind. Aber auch wenn es hierzulande eine aktuellere Basis gibt, bleibt die Vorhersage von Windstromeinspeisemengen eine große Herausforderung.

Tausende verschiedener Szenarien werden untersucht

„Gerade im Intraday-Handel braucht man genau zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Prognosen. Da kommt es auf die Nachkommastellen an“, sagt Lena Lebahn. Auch wenn alle Stromproduzenten bereits Prognose-Tools nutzen, will das Software-Haus künftig zeigen, dass es mit seiner Lösung noch genauer geht. In jeweils einer Probezeit zwischen einem und sechs Monaten wollen die IT-Spezialisten aus dem norwegischen Trondheim potenziellen Kunden beweisen, dass sie mit künstlicher Intelligenz deren bisherige Prognosegüte übertreffen können.

Dabei reicht es bei Weitem nicht aus, das System mit Wetterdaten zu füttern. Windgeschwindigkeiten, die von Wetterdiensten geliefert werden, sind zwar ein wesentlicher Bestandteil des Modells. „Wir berücksichtigen aber beispielsweise auch die Windrichtung und den Winkel, in dem die Turbine zum Wind ausgerichtet ist. Wir schauen uns ebenfalls an, ob sich innerhalb eines Windparks einzelne Turbinen Windschatten geben“, so Lebahn.

Mithilfe komplexer mathematischer Modelle lernt das System dann, Windgeschwindigkeiten, Windrichtung, sonstige Wetterdaten, historische Produktionsdaten und technische Daten der Anlage so zu verknüpfen, dass es sich der tatsächlichen Stromproduktion immer mehr annähert. Die kürzesten Intervalle, für die Werte ermittelt werden können, sind nach Angaben der Innovationsmanagerin fünf Minuten. Und bis zu 196 Stunden im Voraus sind Prognosen möglich, auch für einzelne Turbinen.

Für solche detaillierte Vorhersagen müsse das IT-System unter Umständen die Ausprägungen Hunderter Parameter verarbeiten, sagt Lebahn. Doch man könne auch mit einer überschaubaren Zahl starten. Werden einzelne Anlagen zusammengefasst und die Betrachtungsintervalle nicht allzu klein gewählt, ließen sich mit weniger als zehn Parametern gute Ergebnisse erzielen. „Aber auch da stellen sich Korrelationen heraus, die der Mensch nicht mehr überblicken kann, die die Maschine jedoch erkennt.“ Schon neun Parameter, die sich gegenseitig beeinflussen, können zu Tausenden verschiedener Szenarien führen.

Das Training der Algorithmen besteht aus der Kombination zahlreicher unterschiedlicher Daten wie historischer Erzeugungswerte, Prognosen und Messungen. Die maschinellen Lernalgorithmen suchen dann nach Mustern in den historischen Daten und dies wird mit Daten verifiziert, die nicht im Training verwendet werden. Dieser Prozess kann sowohl auf kleine Farmen mit beispielsweise fünf Turbinen wie auch auf große Farmen mit 20 oder mehr Turbinen ohne zusätzliche Komplexität auf der Benutzerseite angewendet werden. Nach einem erfolgreichen Training werden Live-Daten für die Algorithmen verwendet, um bessere Prognosen zu erstellen.
 

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Grafik: Statista

Mittlerweile hat Powel auch in Deutschland eine Niederlassung eröffnet. Von Düsseldorf aus sollen Eon und Uniper betreut und auch Stadtwerke als Kunden gewonnen werden. Erst im Oktober hatte der IT-Dienstleister bekanntgegeben, Uniper ein System zur Kurzfristoptimierung von thermischer Erzeugung und Wasserkraftkapazitäten geliefert zu haben.

Die installierte Leistung von insgesamt 13 Mrd. kW, die hinter dem Auftrag steht, macht Uniper zum derzeit größten Powel-Kunden im deutschen Markt. Mit im Boot ist die Kisters GmbH, die ein Scada-System beisteuert. Darüber hinaus soll eine Kooperation mit den Aachener Software-Spezialisten neue Absatzmöglichkeiten für Powels Trading-Lösung für den automatisierten Intraday-Stromhandel erschließen.

Fritz Wilhelm

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