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Brüssel winkt Kapazitätsreserve durch

Kapazitätsmechanismen etablieren sich immer stärker als fester Bestandteil des europäischen Elektrizitätsmarktes.
Die EU-Kommission genehmigte am 7. Februar sechs weitere Regelungen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien und Polen. Die Antragsteller hätten nachgewiesen, dass Beihilfen unverzichtbar seien, um die Versorgungssicherheit in den nächsten Jahren zu gewährleisten, hieß es zur Begründung. Die jetzt genehmigten Fördersysteme betreffen mehr als die Hälfte der EU-Bürger.
 
Man habe sich bemüht dafür zu sorgen, dass die entstehenden Wettbewerbsverfälschungen so gering wie möglich ausfallen, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in Brüssel: „Diese Mechanismen werden den Wettbewerb zwischen allen potenziellen Kapazitätsanbietern stärken, zum Vorteil der Verbraucher und unseres europäischen Energiemarktes.“ In den Verhandlungen mit den genannten Mitgliedsstaaten habe die Kommission erreicht, dass die Anträge im Sinne von mehr Wettbewerb und mehr Umweltschutz nachgebessert wurden. Polen habe danach zugesagt, die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien als Kapazitätsreserven zu bevorzugen.
 
Im Einzelnen hat die Kommission drei verschiedene Arten von Kapazitätsmechanismen genehmigt: strategische Reserven, marktweite Verpflichtungen und Zusagen zur Nachfrage-Steuerung. Sie sollen dazu beitragen, dass genügend Anreize für den Bau neuer Kraftwerke entstehen, die in den nächsten Jahren gebraucht werden.
 
Für die Kommission komme es darauf an, sagten Beamte gegenüber E&M, dass Kapazitätsmechanismen kein Ersatz für Reformen des Elektrizitätsmarktes seien, dass alle Technologien gleich behandelt würden und die Anbieter in einem grenzüberschreitenden Bieterverfahren ermittelt würden. Die betroffenen Mitgliedsstaaten hätten außerdem den Bedarf „eindeutig identifiziert und quantifiziert“. Die Kommission beobachte die Entwicklung und werde nötigenfalls Anpassungen verlangen. Außerdem müssten die betreffenden Staaten natürlich alle Vorschriften des Binnenmarktes oder des Umweltschutzes einhalten.
 
Strategische Reserven genehmigte die Kommission für Belgien und Deutschland. Dabei handelt es sich um Kraftwerke, die nicht am normalen Strommarkt teilnehmen. In beiden Ländern akzeptierte die Kommission, dass die Reserve zur Flankierung des Atomausstiegs und zur Stabilisierung des schwankenden Aufkommens aus Wind und Sonne notwendig ist.
 
Die Netzbetreiber in Deutschland können ab Oktober 2019 Reserven bis zu 2 000 MW beauftragen. Die genaue Menge richtet sich nach der Marktentwicklung und wird drei Mal für zwei Jahre versteigert. Bei der Methode zur Berechnung der erforderlichen Größe der Reserve verlangte die Kommission Änderungen von den deutschen Behörden. Die deutsche Förderung steht allen Kraftwerken und Anbietern „regelbarer Lasten“ zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung. Die Kosten, die den Netzbetreibern durch die Vergütung der Reserven entstehen, können sie an ihre Kunden weiterreichen. Die strategische Reserve darf erst dann eingesetzt werden, wenn alle Möglichkeiten auf dem normalen Elektrizitätsmarkt erschöpft sind. Kraftwerke, die an der Reserve teilnehmen, dürfen nicht mehr in den normalen Markt zurückkehren.
 
In Brüssel wird darauf hingewiesen, dass die jetzt erteilte Genehmigung überprüft wird, wenn das sog. „Winterpaket“, das die Kommission Ende 2016 vorgelegt hatte, vom Ministerrat und vom Parlament verabschiedet worden sei. Danach ergebe sich möglicherweise Anpassungsbedarf, um Widersprüche im Binnenmarkt für Elektrizität zu beseitigen.
 
Tom Weingärtner

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