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Bonner Klimagipfel liefert wichtige Impulse

Der 23. UN-Klimagipfel in Bonn hat vor allem technische Fragen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens auf den Weg gebracht. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Der UN-Klimagipfel in Bonn, der am 18. November nach einer Verlängerungsnacht zu Ende gegangen ist, hat nach Angaben von Beobachtern seine, wenn auch bescheidenen Ziele, überwiegend erreicht.

Eine Verständigung gab es darüber, dass die Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll, die bis 2020 gelten, auf den kommenden beiden Klimaschutzkonferenzen erneut behandelt werden. Es handelt sich um einen Teilerfolg der Entwicklungsländer, die im Rahmen des Kioto-Protokolls keine Reduktionsverpflichtungen übernehmen mussten. Sie erwarten, dass die Industrieländer nicht erfüllte Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll in das nächste Jahrzehnt übertragen, zusätzlich zu ihren Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens. Die EU hatte das als gegenstandslos zurückgewiesen: Die Europäer hätten ihre Zusage, die Treibhausgase bis 2020 um 20 Prozent zu senken, bereits jetzt mehr als erfüllt. 2020 würden ihre Emissionen voraussichtlich um 26 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen, kündigte EU-Energie- und Klimakommissar Miguel Arias Canete an. Darüber gab es keine Verständigung. Die Zusage der Industrieländer, den Anpassungsfonds über 2020 zu verlängern, könnte in den künftigen Verhandlungen zu diesem Thema allerdings als ein Präzedenzfall betrachtet werden.

Meinungsaustausch zum Regelwerk

Bei den Umsetzungsregeln des Pariser Klimaabkommens (rulebook) gab es in der Substanz keine Fortschritte. Verabschiedet wurde allerdings eine mehrere hundert Seiten umfassende Textsammlung, die als Grundlage für die Verhandlungen der Vertragsstaaten in den nächsten 12 Monaten dienen soll. Im Regelwerk werden die Methoden und Verfahren festgelegt, nach denen die Verpflichtungen der Vertragsparteien gemessen, bewertet und verglichen werden. Es soll sicherstellen, dass eine Tonne CO2 oder Methan, die in China oder Chile ausgestoßen wird, genauso bewertet wird wie in Kanada oder Polen. Darauf legt vor allem die EU großen Wert. Es müsse sichergestellt werden, dass „beim Klimaschutz niemand schummelt“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Die in Bonn verabschiedete Textsammlung enthält zwar alle – unterschiedlichen und entgegengesetzten – Positionen zu diesem Thema. Bei den kommenden Verhandlungen darüber sollen jedoch keine neuen Aspekte mehr berücksichtigt werden. Der Fortschritt besteht also darin, dass die Zahl der Konflikte zwischen den Vertragsparteien eingegrenzt wurde.

Kontrovers werden die Regeln vor allem zwischen der Europäischen Union und China diskutiert. Während die EU auf maximale Transparenz besteht, weist China eine internationale Kontrolle als Eingriff in seine Souveränität zurück. Die Entwicklungsländer lehnen die Übernahme umfangreicher und detaillierter Berichtspflichten auch mit dem Hinweis ab, weil sie nicht über entsprechende Berichtssysteme verfügen und kein Geld haben, um diese in absehbarer Zeit aufzubauen. Zudem weisen sie daraufhin, dass sie bislang nicht dazu verpflichtet waren Emissionen zu ermitteln. Im Kioto-Protokoll mussten sie ihre Emissionen nicht reduzieren und deshalb auch nicht messen. In Afrika, Asien und Lateinamerika möchte man auch hier am liebsten weiter mit zweierlei Maß messen.

Die Industrieländer berufen sich dagegen darauf, dass in Paris vereinbart wurde, alle Vertragsstaaten im Prinzip gleich zu behandeln. Die EU sei bereit, bei der Überprüfung der nationalen Verpflichtungen auf die unterschiedlichen Möglichkeiten jedes Landes Rücksicht zu nehmen und „flexible Lösungen“ oder „Brücken“ zu akzeptieren, sagte Klimakommissar Canete in Bonn. An dem Grundsatz, dass alle Vertragspartner die gleichen Rechte und Pflichten haben, halte die EU aber fest.

Die Frage des Umgangs mit den vom Klimawandel verursachte Schäden und Verlusten in den Entwicklungsländern (loss and damage) wurde vertagt und soll Ende Mai zunächst auf Expertenebene weiter beraten werden. Die Entwicklungsländer erwarten hier weitreichende finanzielle Zusagen von den Industrieländern, die sie für diese Schäden verantwortlich machen. Die Industrieländer fürchten dagegen, dass sie für alle witterungsbedingten Vermögensschäden in der Dritten Welt haftbar gemacht werden sollen.

Talanoa-Dialog soll Ambitionen steigern

Die Diskussion darüber, wie die Vertragsstaaten ihre Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgase erhöhen sollen, wurde in Bonn zumindest vorstrukturiert. Hintergrund des sogenannten „Talanoa-Dialogs“ ist die Tatsache, dass die bislang beim Klimasekretariat eingegangenen nationalen Selbstverpflichtungen (NDC) nicht ausreichen, um das in Paris gesetzte Ziel, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen, zu erreichen. Die NDC sollen deswegen „nachgeschärft“ werden. Unklar ist jedoch, nach welchen Grundsätzen und Methoden dabei vorgegangen werden soll. Die Debatte darüber soll jetzt im Rahmen der in Bonn vereinbarten Struktur geführt werden.

Mehr Rechte für Frauen und indigene Völker

Schließlich verständigte man sich auf einen Aktionsplan zur stärkeren Beteiligung von Frauen an klimapolitischen Entscheidungen und auf Verfahren zur Einbeziehung der indigenen Bevölkerung.

Tom Weingärtner

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