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Bensheim fährt elektrisch voran

In Bensheim an der Bergstraße wird ein intelligentes, relativ kostengünstiges Ladenetz für Elektroautos aufgebaut. Für die Nutzung der Ladesteckdosen brauchen Autofahrer ein spezielles Ladekabel mit mobilem Stromzähler.
Der regionale Energieversorger GGEW AG in Bensheim sieht sich als „Förderer der Elektromobilität“ und damit Vorreiter in der Region, sagt Vorstand Peter Müller. Das Unternehmen betreibt bereits fünf Ladesäulen für Elektroautos in Bensheim und umliegenden Kommunen. Mit einer speziellen Ladekarte können dort Fahrzeuge mit Ökostrom betankt werden – für GGEW-Kunden ist das sogar kostenlos. Um auch auf der Straße für den emissionsarmen Antrieb zu werben, hat das Unternehmen fünf Elektro- und Hybridfahrzeuge im eigenen Fuhrpark.

Nun gehen die Bensheimer noch einen Schritt weiter. „Wir wollen Modellkommune für ein innovatives System werden“, kündigt Müller an. Am 23. März stellte er zusammen mit dem Berliner Startup-Unternehmen Ubitricity und dem Technologiekonzern TE Connectivity ein gemeinsames Projekt vor. Ziel ist, bis Ende des Jahres an der Bergstraße 50 zusätzliche Ladepunkte zu installieren und damit die Infrastruktur für Elektroautofahrer spürbar zu verbessern.

Als Ladepunkte dienen technisch relativ einfach konstruierte schaltbare Steckdosen. Ein Vorteil sei, dass sie an vielen Stellen wie zum Beispiel an Straßenlaternen oder Parkplätzmäuerchen installiert werden können. „Außerdem brauchen sie nicht mit einem eigenen Zähler und Abrechnungssystem wie unsere anderen Ladesäulen ausgerüstet werden“, erklärt Müller. Das macht sie auch kostengünstig.

Ladepunkte kostengünstig installieren

Pro Ladesteckdose rechnet der GGEW-Chef mit Installationskosten von nur „einigen hundert Euro“. Zum Vergleich: Eine Ladesäule mit allem Drum und Dran kann bis zu 10 000 Euro kosten. Die Investition für die geplanten 50 Ladepunkte in Bensheim übernimmt die GGEW. Der Versorger will außerdem einen speziellen Elektromobilitäts-Tarif anbieten und will damit zunächst vor allem Unternehmen in Bensheim ansprechen, die als erste verstärkt Elektroautos einsetzen könnten.

Um die Ladesteckdosen nutzen zu können, brauchen Autofahrer allerdings ein spezielles Ladekabel. Dieses hat das Berliner Unternehmen Ubitricity entwickelt. Das Besondere daran ist, dass es mit einem elektronischen Stromzähler bestückt ist, der über eine drahtlose Internetverbindung mit der Ladedose und einem Ubitricity-Rechner kommuniziert und den Ladevorgang autorisiert. Das Ladesystem funktioniert dabei wie ein Handy. So wie mit diesem in allen Mobilfunknetzen mit einem Vertrag telefoniert werden kann, ist es dem Autofahrer über das intelligente Ladekabel möglich, seinen Elektromobilitäts-Stromtarif überall hin mitzunehmen und an jedem Ubitricity-Ladepunkt darauf zuzugreifen.

Die gezapfte Strommenge wird automatisch an Ubitricity gemeldet, das Berliner Unternehmen bereitet die Daten auf und liefert sie zur Abrechnung an GGEW oder einen beliebigen anderen Stromanbieter, bei dem der Autofahrer Kunde ist. „Eine effiziente Lösung, die dem Alltag in unserer mobilen Gesellschaft entspricht“, meint Ubitricity-Geschäftsführer Frank Pawlitschek.

Testläufe auch in Berlin und am Bodensee

Produziert werden die intelligenten Ladekabel und Ladesteckdosen bei dem in Bensheim ansässigen Unternehmen TE Connectivity, einem international tätigen Autozulieferer und Produzenten von Verbindungstechnologie und Sensorik. Der Hersteller ist sozusagen auch das Verbindungselement zwischen dem Berliner Entwickler und dem Anwender in Bensheim.

TE Connectivity liefert schon bisher die Feldtestsysteme des Ubitricity-Ladekabels. Noch in diesem Jahr soll die Serienfertigung beginnen. Dann könnte auch der Preis für das innovative Kabel, derzeit noch bei über 1 000 Euro, auf einen Zielwert von „100 Euro über dem Preis für ein Standardkabel“ sinken, wie eine Ubitricity-Sprecherin erläutert.

Das Berliner Startup ist übrigens beim Testlauf für sein Ladesystem nicht nur in Bensheim unterwegs. In der Hauptstadt werden nach und nach bis zu 100 Laternenmasten mit Ubitricity-Ladesteckdosen ausgestattet und am Bodensee läuft ein ähnliches Pilotprojekt wie an der Bergstraße, an dem unter anderem die Stadtwerke Radolfzell beteiligt sind. Auch mit Autobauern wie VW, Opel und BMW sei Ubitricity im Gespräch über den Einsatz des Systems, ergänzt die Unternehmenssprecherin.

Peter Focht

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