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Vorwärts in die Vergangenheit

Die Lechwerke AG (LEW) steuern im Rahmen eines Pilotprojekts verschiedene
Anlagen in einem Smart Grid. Doch die Optimierungsaufgaben in der künftigen Energiewelt werden noch umfassender sein.
In Wertachau, einem Ortsteil von Schwabmünchen, etwa 30 km südlich von Augsburg, hat LEW, der regionale Versorger, mittlerweile 160 intelligente Zähler mit erweiterter Messtechnik installiert. Zusätzlich gehören intelligente Hausgeräte, Wärmepumpen, Speicher und rund 20 auf Hausdächern installierte PV-Anlagen zum Projektdesign. Es geht darum, Erkenntnisse über den bedarfs- und kundenorientierten Aufbau eines Smart Grids zu gewinnen, und letztlich auch darüber, wie die Anlagen im Netz optimal gesteuert werden können, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
 
Ein kleiner Kasten, so groß wie eine Pralinenschachtel, der Smart Operator, soll es richten. Der Leitsystem-Anbieter PSI hat ihn entwickelt und einen Algorithmus integriert, der an der RWTH in Aachen entstanden ist. Erzeugungsdaten von Anlagen und die Ergebnisse von Lastflussrechnungen sind nur zwei der rund 20 Parameter, deren Ausprägungen für die Steuerung von Netz und Anlagen maßgeblich sind.
 
So groß wie eine Pralinenschachtel und das zentrale Element zur Steuerung des Netzes: der Smart Operator
Bild: RWE

„Im Smart Operator läuft ein komplettes Linux-System auf dem wir diverse Protokolle implementiert haben, um mit allen Schnittstellen kommunizieren zu können“, erklärt Klaus Becker, Geschäftsführer von PSI Nentec. Auch Fernwirkschnittstellen gehören dazu. Aber nur wenige und stark normierte Werte würden darüber abgefragt. Für die Übertragung beispielsweise von Netzplänen kämen serielle Fernwirkprotokolle nicht in Frage. Hier seien internetbasierte Lösungen Mittel der Wahl, etwa Webservices wie das moderne IEC 61850 Protokoll.
 

Der Home Energy Manager erhält von der Steuereinheit Lastprofile, aus denen er Befehle an die Haushaltsgeräte – hier Warmwasser-Wärmepumpe – generiert
Bild: Stiebel Eltron
 

So intelligent der Smart Operator auch sein mag, ohne Manager kommt er doch nicht aus. Der Smart Operator Manager sorgt dafür, dass Werte wie Erzeugungsprognosen, Marktpreise oder Wetterdaten leicht verdaulich aufbereitet werden. „Damit wird die Steuereinheit gefüttert“, so Becker. Es ist auch kein kleiner Kasten, sondern ein großer Rechner mit Komponenten aus dem Umfeld des PSI-Leitsystems. Für die Kommunikation mit der heimischen Waschmaschine oder dem Wäschetrockner ist ebenfalls ein Manager zuständig. Der Home Energy Manager erhält von der Steuereinheit allerdings keine einzelnen Handlungsanweisungen, sondern Lastprofile, aus denen er dann Befehle an die Haushaltsgeräte generiert.
 
„Die Aufgabe der Zukunft wird jedoch sein, eine allumfassende IT-Lösung zu entwickeln,“ sagt Becker. Denn das Ziel des Smart Operators sei nicht das gleiche wie bei einem virtuellen Kraftwerk. „Dort steht die Vermarktung der Kapazität im Vordergrund, hier die Netzstabilität. Künftig wird es mehr und mehr darum gehen, das Gesamtsystem zu optimieren und die beiden Welten miteinander zu vereinen und nicht den Netzbetreiber auf die Erzeugung oder Last nur reagieren zu lassen.“

Auf dem Weg zurück in die Zeit vor dem Unbundling

Nach Beckers Meinung ist der Markt mit seinem Streben nach Intelligenz im Netz und der Erzeugung wieder auf dem Weg zurück in die Zeit vor dem Unbundling, als Erzeugung, Netz und Handel nicht getrennt waren. Quasi vorwärts in die Vergangenheit. „Jetzt erkennt man, dass man in den Netzleitstellen zukünftig auf Preissignale aus dem Handel Rücksicht nehmen muss, dass man in virtuellen Kraftwerken Anlagen steuern muss, dass man überhaupt Schnittstellen zwischen den verschiedenen Bereichen benötigt, um zu erfahren, was jenseits der Grenzen vor sich geht.“ Die IT-Welt dafür müsse nicht neu erschaffen werden. Die Herausforderung liege darin, bestehende Leit- und Handelssysteme intelligent zu verknüpfen.
 
Mit der offiziellen Inbetriebnahme des intelligenten Netzes im Juli in der Siedlung Wertachau wurde die zweite Phase des Projekts eingeläutet. Nach dem Aufbau der Infrastruktur mit einem Glasfasernetz in der ersten Phase werden nun im Feldtest Einspeisedaten mit Hilfe von Wetterprognosen ermittelt sowie Lasten und Daten zur optimalen Speichernutzung.

Während die Lechwerke das Projekt in Schwabmünchen verantworten, liegt die Gesamtprojektleitung für Smart Operator bei RWE. Neben der RWTH Aachen gehören die Universität Twente (Niederlande), PSI, Hoppecke Batterien, die Maschinenfabrik Reinhausen, der Anlagenbauer Horlemann sowie Stiebel Eltron zu den Projektpartnern. RWE testet intelligente Stromnetze in weiteren Smart-Operator-Projekten in den rheinland-pfälzischen Regionen Rhein-Hunsrück und Trier-Saarburg.

Fritz Wilhelm

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